Im Archiv des Grimme Online Award gibt es eine große Sammlung von Beispielen, die auf ihre je eigene Weise audiovisuell, interaktiv oder mithilfe von Storytelling-Elementen zum Bewahren, Gedenken und auch Mahnen beitragen.
Einige der Produzenten und Produzentinnen konnten wir in unserem Schwesterprojekt GOA talks in Zweiergesprächen befragen. Im vergangenen Jahr waren dies:
- „Die Befreiung“
- „Stolen Memory“
- „Jeder Vierte“
„Die Befreiung“
Das von Eva Deinert geleitete Projekt „Die Befreiung“ setzt sich zusammen aus einer Augmented-Reality-App, einem Podcast und einer Webseite und war 2021 für einen Grimme-Online-Award nominiert.
„Am 29. April 1945 wurde das bayerische Konzentrationslager Dachau von US-amerikanischen Truppen befreit. Das Lager ist überfüllt, es kursieren hochansteckende Krankheiten, die Menschen sind unterernährt und geschwächt. ‚Die Befreiung‘ erzählt multimedial nach, wie die Häftlinge und die Befreier den Tag erleben. Eindrückliche Bilder, kombiniert mit persönlichen Geschichten auf der Tonspur ermöglichen das Eintauchen in die Zeit. Ein Podcast mit tiefergehenden Geschichten ergänzt den Rundgang.“
(aus der Beschreibung beim Grimme Online Award 2021)
Genauer vorgestellt hat Eva Deinert das Projekt „Die Befreiung“ im Mai 2021 in „Quergewebt“, dem Blog des Grimme Online Award, und bei GOA talks befand sie sich in einem Zwiegespräch mit Julia Oelkers, einer der Verantwortlichen des Projekts „Gegen uns“, das Gewalt gegen Menschen in Ostdeutschland dokumentiert. Wer sich dafür interessiert, kann sich das Gespräch selbst anhören. Darin verweist Eva Deinert unter anderem auf den Grund, sich auf diese Weise dem Bewahren zuzuwenden:
„Da war unsere Motivation, wir wollten das nochmal neu erzählen auf eine digitale Weise und gucken, wie kann das in einer Form lebendig bleiben, wenn es irgendwann keine Zeitzeugen mehr gibt.“
„Jeder Vierte“
„Jeder Vierte“ war ein Projekt der FreeTech – Axel Springer Academy of Journalism and Technology und für den Grimme Online Award 2021 nominiert. Als interaktiv angelegtes Webvideoprojekt stellte es sechs real erlebte Situationen von Hass, reproduzierten Vorurteilen oder Ignoranz in reduzierter Form mit Darstellerinnen nach und verwies solchermaßen auf die antisemitischen Vorurteile, die auch mehr als 70 Jahre nach Ende der nationalsozialistischen Herrschaft in Deutschland virulent sind.
Marco Reinke, der an „Jeder Vierte“ beteiligt war, sagte in einem Gespräch bei GOA talks:
„Beim Thema Antisemitismus z. B. ist es uns während dieses ganzen Projekts aufgefallen, dass bei vielen Menschen … so ein bisschen das Problem dazukommt, dass viele in ihrem Leben auch gar keine Berührungspunkte mit jüdischem Leben haben. Wenn ich da z. B. an meine Heimat denke, … da gibt es nicht mal eine jüdische Gemeinde, … und da ist jüdisches Leben immer etwas, was in großen Metropolen … stattfindet, aber es findet sozusagen nicht vor der eigenen Haustür statt.“
Seine Kollegin Laura Block beschrieb im quergewebt-Interview, wie und aus welcher Motivation heraus das Projekt entstanden ist:
„Als wir auf die Studie des World Jewish Congress gestoßen sind, dachten wir, die Aussage, dass jede*r vierte Deutsche antisemitisches Gedankengut hegt, sei ein Fehler. Dass heutzutage noch so viele Deutsche antisemitische Gedanken denken, hat uns geschockt. Daraufhin haben wir uns weitere Studien angeschaut und mit vielen jüdischen Gemeinden in Deutschland telefoniert, die uns das Ausmaß des Antisemitismus bestätigten. Viele denken, dass es zu dieser Thematik bereits genug Projekte gäbe, aber wäre dem so, wäre Antisemitismus nicht so ein großes, immer noch präsentes Problem.“
„#StolenMemory”
„#StolenMemory” ist eine Scrollytelling-Website, die die Rückgabe von „Effekten“ dokumentiert, von persönlichen Gegenständen, die KZ-Häftlingen abgenommen wurden und nun an die Familien der Opfer zurückgegeben werden sollen. Diese Rückgabe wurden von den Arolsen Archives initiiert, bei denen nicht nur Dokumente aus der Zeit des Nationalsozialismus bewahrt werden, sondern auch eben diese Gegenstände.
„Die Scrollytelling-Website ‚#StolenMemory‘ begleitet die Kampagne und zeichnet ausgehend von Brieftasche, Ohrringen oder Füller auf berührende Art die Lebensgeschichte der so jung Verhafteten nach. Lerneinheiten für eine junge Zielgruppe ergänzen das Angebot.“
(aus der Beschreibung beim Grimme Online Award 2021)
Floriane Azoulay, die Direktorin der Arolsen Archives, hat bei den GOA talks 2021 über das Projekt „#StolenMemory“ gesprochen und auch ganz besondere Entwicklungen geschildert, die mit dieser Form des Gedenkens einhergehen:
„Was ganz toll ist, ist, dass – seitdem wir diese Social-Media-Kampagne haben – wir unglaublich viele Jugendgruppen haben, die anfangen, sich an der Suche zu beteiligen. Wir haben aus Polen superaktive und effektive Jugendgruppen, die einfach unglaublich viele Familien wiedergefunden haben. Und die kümmern sich mit der Hilfe unserer Mitarbeiter(innen) um die Suche und die geben die persönlichen Effekten selbst zurück. Das ist einfach genial.“
Im Quergewebt-Interview sprachen die Projektbeteiligten Anke Münster (Arolsen Archives) und Arne Keunecke (Designagentur Goldener Westen) darüber, warum ihnen das Projekt so am Herzen liegt und weshalb Geschichte mehr als nur Fakten sein sollte.
#StolenMemory hat im Jahr 2021 einen Grimme Online Award in der Kategorie Wissen und Bildung erhalten.
Und hier sind die drei GOA talks-Gespräche bei YouTube:
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Eva Deinert über „Die Befreiung“
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Marco Reinke über „Jeder Vierte“
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Floriane Azoulay über „#StolenMemory“