Im ersten Teil des Beitrags „Trump vs. Social Media“ haben wir uns mit Twitter befasst. Zum ersten Mal hatte der Kurznachrichtendienst Tweets des US-amerikanischen Präsidenten mit Warnhinweisen versehen und damit eine Vielzahl von Reaktionen aus Politik und in den Medien ausgelöst. Im hier vorliegenden zweiten Teil geht es um die Auswirkungen, die die „neue“ Twitterhaltung, ob mittelbar oder unmittelbar, auf eine weitere Kommunikationsplattform – Facebook – gehabt hat. Mit diesem Beitrag versuchen wir, die Entwicklung so chronologisch, wie es bei der Vielzahl an Aspekten möglich ist, nachzuzeichnen.
Wir beginnen mit einer Einordnung des kommentierten Tweets, der – womöglich – die gesamten weiteren Schritte nach sich gezogen hat.
Ein Tweet als Auslöser
Die in dieser Form neue Haltung von Twitter, auf Tweets des US-Präsidenten, die zur Desinformation oder gar zur Gewaltverherrlichung beitragen, mit Warnhinweisen zu reagieren, blieb in ihrer Wirkung nicht auf den Kurznachrichtendienst selbst beschränkt.
“Twitter hat erneut einen Tweet von US-Präsident Donald Trump mit einem warnenden Hinweis versehen. In einer Äußerung Trumps zu den Ausschreitungen gegen Polizeigewalt in Minneapolis würden die Richtlinien zur Gewaltverherrlichung verletzt, teilte das Unternehmen in einem Thread auf Twitter mit.”
(Tagesschau, 29.05.2020)
Der solchermaßen gekennzeichnete Tweet von Donald Trump kann an dieser Stelle nicht direkt gezeigt werden, da er beim Einbetten den Twitter-Zusatz verliert. Beim Anklicken des Tweets wird er allerdings sichtbar.
Der entsprechende Tweet trägt (in Deutschland) nun den Zusatz: “Dieser Tweet verstößt gegen die Twitter Regeln zur Gewaltverherrlichung. Twitter hat jedoch beschlossen, dass möglicherweise ein öffentliches Interesse daran besteht, diesen Tweet zugänglich zu lassen.” Nutzer können sich weitere Informationen oder den Tweet selbst anzeigen lassen.
Twitter versah den Tweet mit der Warnung wegen des Ausdrucks „when the looting starts, the shooting starts“ in seinem zweiten Teil. Dieser Satz enthält nicht nur eine Gewaltandrohung an und für sich, sondern steht auch in einem unguten historischen Kontext: “In 1967, Miami police Chief Walter Headley used the phrase ‚when the looting starts, the shooting starts‘ during hearings about crime in the Florida city, invoking angry reactions from civil rights leaders, according to a news report at the time.” (National Public Radio / NPR, 29.05.2020) In diesem NPR-Artikel wird Clarence Lusane, Professor an der Howard University, zitiert:
“’The NAACP and other black organizations had for years complained about the treatment of the black community by Miami police. At this hearing, in discussing how he would deal with what he called crime and thugs and threats by young black people, he issued this statement that the reason Miami had not had any riots up to that point, was because of the message he had sent out that ‚when the looting starts, the shooting starts,‘ Lusane said.”
(NPR, 29.05.2020)
Während der erste mit einer Warnung versehene Trump-Tweet (in Teil 1 dieses Beitrags beschrieben) also eher allgemein die Überzeugung des US-Präsidenten wiedergab, dass Briefwahlen zu seinen Ungunsten manipuliert würden, kam der zweite Tweet, der entsprechende Maßnahmen von Twitter nach sich zog, mitten in einer Zeit, in der der Tod von George Floyd, verursacht durch einen weißen Polizisten, die Trauer, Empörung und Wut von hunderttausenden Menschen nach sich gezogen hat – und immer noch zieht.
Die ersten Forderungen kommen aus dem Unternehmen selbst
Dies war der Zeitpunkt, zu dem Forderungen an Facebook laut wurden, sich ebenfalls stärker gegen (verbale) Gewalt zu positionieren.
Ende Mai 2020 äußerte sich Mark Zuckerberg mit zwei längeren Posts auf seiner persönlichen Facebookseite:
„I’ve been struggling with how to respond to the President’s tweets and posts all day. Personally, I have a visceral negative reaction to this kind of divisive and inflammatory rhetoric. This moment calls for unity and calmness, and we need empathy for the people and communities who are hurting. We need to come together as a country to pursue justice and break this cycle.”
Mark Zuckerberg, Facebook, 29.05.2020
Er fuhr fort mit einer Begründung dafür, dass Facebook eher zögerlich auf solcherlei Tweets und Posts reagiert: „But I’m responsible for reacting not just in my personal capacity but as the leader of an institution committed to free expression. I know many people are upset that we’ve left the President’s posts up, but our position is that we should enable as much expression as possible unless it will cause imminent risk of specific harms or dangers spelled out in clear policies.” Mark Zuckerberg, Facebook, 29.05.2020
Zwei Tage später kündigte Mark Zuckerberg an, zivilgesellschaftliche Gruppen mit Spenden unterstützen zu wollen: „The organizations fighting for justice also need funding, so Facebook is committing an additional $10 million to groups working on racial justice. We’re working with our civil rights advisors and our employees to identify organizations locally and nationally that could most effectively use this right now.” Mark Zuckerberg, Facebook, 31.05.2020
Die Washington Post fasst einige der Entwicklungen zusammen: „Trump last week tweeted that ‚when the looting begins, the shooting begins,‘ which many people interpreted as a call for violence in nationwide protests over the death of George Floyd. Twitter put a warning label over the tweet, flagging it as violent content that broke the company’s policies but was being left up because it was newsworthy. Facebook declined to take any action on a similar post on its site. In response, dozens of Facebook employees participated in a virtual walkout on Monday, and many more expressed outrage in internal forums and on Twitter. At least two employees have resigned, according to public posts and tweets, and conversations with workers.” (The Washington Post, 02.06.2020; Hinweis: Nur eine begrenzte Anzahl von Artikeln der Washington Post ist monatlich kostenfrei abrufbar.)
Diese Wortmeldungen reichten den Kritikern allerdings nicht aus. Den Anfang machten – in unmittelbarer zeitlicher Nähe zu den Twitter-Entscheidungen zum Umgang mit Trump-Posts – Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Facebook selbst.
Als Reaktion auf den internen Protest veranstaltete Mark Zuckerberg eine virtuelle Versammlung („town hall“), um auf die Vorwürfe einzugehen. Während dieser verteidigte er seinen Entschluss, den strittigen Trump-Post online zu belassen, und lieferte den Teilnehmenden verschiedene Interpretationsmöglichkeiten des Sprachgebrauchs des Präsidenten. Er kündigte jedoch an, an der Transparenz solcher Entscheidungsabläufe zu arbeiten. „He also said that he would be open to reviewing how the company handles content around state violence, a nod to the growing use of force at the protests.” (The Washington Post, 02.06.2020; Hinweis: Nur eine begrenzte Anzahl von Artikeln der Washington Post ist monatlich kostenfrei abrufbar.)
Im Washington-Post-Artikel heißt es, Teilnehmende hätten die Aussagen Zuckerbergs als lediglich kleine Zugeständnisse empfunden, „that did not appear to appease the many angry employees, some of whom repeatedly pointed out in questions that very few black people were attending the town hall”. (The Washington Post, 02.06.2020; Hinweis: Nur eine begrenzte Anzahl von Artikeln der Washington Post ist monatlich kostenfrei abrufbar.)
„Die Frage, wie auf Internetplattformen mit den umstrittenen Äußerungen von US-Präsident Donald Trump umgegangen wird, sorgt bei Facebook intern für Ärger. Gründer Mark Zuckerberg … gerät im eigenen Unternehmen unter Druck. Denn eine Reihe von Facebook-Angestellten protestiert gegen die Haltung des 36-Jährigen. Einige legten die Arbeit im Homeoffice nieder.“ Viele von ihnen hätten die Firmenentscheidung zu den Tweets von Trump kritisiert: „Eine der Fragen sei gewesen, warum so viele bei Facebook ein Auge zudrückten, um Trump nicht zu verärgern.“ (Deutsche Welle, 03.06.2020)
“’Zuck has told us over and over that calls to violence would not be tolerated on the platform, even if they were by the President of the United States,’ Aveni told CNN Thursday from his home in Menlo Park, California, near Facebook’s world headquarters.” (CNN, 05.06.2020)
Oder gingen ganz: Der 22-jährige Software Engineer Timothy Aveni machte seine Kündigung in einem Facebook-Post öffentlich. Darin schrieb er: „Mark always told us that he would draw the line at speech that calls for violence. He showed us on Friday that this was a lie. Facebook will keep moving the goalposts every time Trump escalates, finding excuse after excuse not to act on increasingly dangerous rhetoric. Since Friday, I’ve spent a lot of time trying to understand and process the decision not to remove the racist, violent post Trump made Thursday night, but Facebook, complicit in the propagation of weaponized hatred, is on the wrong side of history.” In einem CNN-Interview sagte er, er habe die Sorge, dass Facebook benutzt würde, um die Gewalt in den Vereinigten Staaten weiter eskalieren zu lassen.
In dem Artikel heißt es weiter:
„Zuckerberg had pledged that calls for violence would not be tolerated.
‘If anyone, including a politician, is saying things that can cause, that is calling for violence or could risk imminent physical harm … we will take that content down,’ he said testifying before Congress last October.” (CNN, 05.06.2020)
Ehemalige Angestellte von Facebook schrieben einen offenen Brief, der in der New York Times (Hinweis: Nur eine begrenzte Anzahl an Artikeln der NYT ist monatlich kostenfrei abrufbar) veröffentlicht wurde und in dem sie sagten, dass das Unternehmen, an dessen Aufbau sie beteiligt gewesen seien, nicht wiedererkennbar und das Verhalten von Mark Zuckerberg und anderen Mitgliedern der Geschäftsführungsebene feige („cowardly“) sei. (CNN, 03.06.2020)
Eine ehemalige Angestellte sagte:
“’What bothers me to the core about the way Facebook is talking about this issue is that there is no such thing as freedom of speech on the platform,‘ she said. ‚Facebook as a company has already decided what speech is allowed or not allowed through its content policies. And to say that the more power you have you can say whatever you want because it’s newsworthy is hugely problematic.’”
Washington Post, 05.06.2020 (Hinweis: Nur eine begrenzte Zahl an Artikeln der WP ist monatlich kostenfrei abrufbar.)
CNN fasst zusammen: „ The letter is just the latest example of mounting public criticism of Facebook and Zuckerberg, both inside and outside the company. … So far this week, there has been a virtual walkout by current employees, a tense all-hands meeting Tuesday between Zuckerberg and Facebook staff, and public condemnation from civil rights leaders.” (CNN, 03.06.2020)
Mark Zuckerberg schob in den Folgetagen noch einige Erläuterungen und Ankündigungen hinterher, die aber wenig konkret wurden. Auf seiner persönlichen Facebook-Seite schrieb er am 05.06.2020, dass er den Konflikt wahrnehme und verschiedene Optionen prüfen werde: „As we continue to process this difficult moment, I want to acknowledge the real pain expressed by members of our community. I also want to acknowledge that the decision I made last week has left many of you angry, disappointed and hurt. … Many of you have asked what concrete steps we can start working on to improve our products and policies.”
Er stellte sieben Bereiche vor, in denen Facebook Ideen für einen veränderten Umgang mit strittigen Posts entwickeln werde, sagte aber bereits zu Beginn: „I want to be clear that while we are looking at all of these areas, we may not come up with changes we want to make in all of them.” (Beide Zitate: Mark Zuckerberg, Facebook, 05.06.2020)
In der Liste der Unterzeichnenden finden sich “professors from more than 60 leading research institutions, including Harvard University, Stanford University, and University of California San Francisco (UCSF), as well as one Nobel laureate”. (Washington Post, 06.06.2020; Hinweis: Nur eine begrenzte Anzahl von Artikeln der Washington Post ist monatlich kostenfrei abrufbar.)
Am 06.06.2020 veröffentlichten mehr als 140 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die aktuell oder in der Vergangenheit von der „Chan Zuckerberg Initiative“ (CZI) unterstützt wurden, einen offenen Brief an Mark Zuckerberg und forderten ihn auf, die Facebook-eigenen Richtlinien zum Umgang mit Desinformation und Hetze zu überarbeiten.
Die Washington Post hat den offenen Brief in voller Länge veröffentlicht.
„Social media platforms, like Facebook, have emerged as primary ways of communicating information. While they have allowed dissemination of information across the globe, they also facilitate the spread of misinformation. The spread of news that is not vetted for factual accuracy leads to confusion and a mistrust of experts. … Thus, like many, we were disconcerted to see that Facebook has not followed their own policies in regards to President Trump, who has used the Facebook platform to spread both misinformation and incendiary statements.“
Offener Brief, zitiert aus der Washington Post, 06.06.2020
Einzelne Maßnahmen wurden von Facebook vorgenommen: „Das soziale Netzwerk sperrte Anzeigen der Wahlkampfkampagne von Trump, in der für die Unterzeichnung einer Petition gegen die Antifa geworben wurde – mit einem Symbol, das politische Häftlinge in Konzentrationslagern der Nationalsozialisten tragen mussten: ein umgedrehtes rotes Dreieck. Die Anzeigen und Posts hätten die Regeln des Online-Netzwerks gegen ‚organisierten Hass‘ verletzt, begründete Facebook sein Vorgehen.“ (DW, 18.06.2020)
Doch für grundsätzliche Änderungen im Umgang mit Desinformation und Hetze schien der interne und Social-Media-Protest nicht auszureichen.
Der Beginn der Kampagne
Ein Telefonat zwischen Facebook und Rashad Robinson, dem Präsidenten von Color of Change, Sherrilyn Ifil, der Präsidentin des NAACP Legal Defense Fund und Vanita Gupta von The Leadership Conference on Civil and Human Rights Anfang Juni sollte verdeutlichen, dass Facebook die Anliegen ernst nimmt. Dies hat nicht funktioniert. Unmittelbar nach dem Treffen sagte Rashad Robinson in einem Telefoninterview mit der Washington Post:
“What was clear coming out of that meeting is Mark has no real understanding of the history or current impact of voter suppression, racism or discrimination. He lives in a bubble, and he defended every decision that he’s made.”
(Washington Post, 02.06.2020; Hinweis: Nur eine begrenzte Anzahl an Artikeln der WP ist monatlich kostenfrei abrufbar.)
Auch hierüber zeigten sich die Facebook-Angestellten enttäuscht:
Am 17.06.2020 riefen schließlich verschiedene zivilgesellschaftliche Gruppen Unternehmen dazu auf, keine Werbung mehr bei Facebook zu schalten.
„Several civil rights and other advocacy groups are calling on large advertisers to stop Facebook ad campaigns during July because they say the social network isn’t doing enough to curtail racist and violent content on its platform.”
AP News, 17.06.2020
Zu den Initiatoren der “#StopHateforProfit”-Kampagne gehörten die Anti-Defamation League (ADL), die National Association for the Advancement of Colored People (NAACP), Sleeping Giants (eine “Initiative mit dem Ziel, das Schalten von Online-Werbung auf Internetplattformen mit rassistischen, sexistischen, fremdenfeindlichen und antisemitischen Inhalten zu stoppen“, Wikipedia, auf Twitter unter https://twitter.com/slpng_giants zu finden), Color Of Change, Free Press und Common Sense.
Im Presse-Kapitel der Seite findet sich eine Übersicht darüber, wo überall in Fernseh-, Print- und Onlinenachrichten über die Kampagne berichtet wurde.
Auf der Kampagnenseite sind alle Forderungen der Partner an Facebook aufgeführt. Zu ihnen zählen neben dem Finden und Entfernen von Hass- und Desinformationsbeiträgen auch strukturelle Maßnahmen wie etwa das Schaffen einer (hochrangigen) Stelle, die das Einhalten von Bürgerrechten auf allen Ebenen der Plattform gewährleisten soll:
„Establish and empower permanent civil rights infrastructure including C-suite level executive with civil rights expertise to evaluate products and policies for discrimination, bias, and hate. This person would make sure that the design and decisions of this platform considered the impact on all communities and the potential for radicalization and hate.”
Stop Hate for Profit, Recommended Next Steps
Zu den ersten (und größten) Firmen, die sich der Kampagne anschlossen, zählte der Outdoor-Ausstatter The North Face. „Outdoor apparel brand The North Face has become the best-known company yet to commit to an advertising boycott of Facebook in light of the social media platform’s handling of misinformation and hate speech — a move that could open the door for other brands to do the same.” CNN, 19.06.2020
Eine Erhebung der World Federation of Advertisers ergab, dass „that a third of the top 58 advertisers will, or are likely to, suspend advertising, while a further 40% are also considering doing so”. (The Guardian, 30.06.2020) Nicht bei allen Marken sei klar, ob sie sich tatsächlich (vorübergehend) gegen Werbung auf Facebook entschieden haben, um die Forderungen der Kampagne zu unterstützen, oder sich wegen ökonomischen Drucks in der Corona-Pandemie ohnehin für ein Herunterfahren der Kosten entschieden hätten. Einige Firmen schalten zwar keine Werbung, haben sich aber nicht offiziell #stophateforprofit angeschlossen.
„But the campaign offers a way for companies to signal a stand against hate at a time when their customers are demanding more accountability and displays of solidarity with the protests.“
NPR, 01.07.2020
Anfang Juli fand ein Treffen von verschiedenen Beauftragten von Unternehmen, die sich am Boykott beteiligen wollten, mit Facebook-Vertretern statt. Dieses verlief „frustrating“: “’It’s simply not moving,‘ said one executive at a major ad agency of the conversations.” (CNBC, 01.07.2020) Die Facebook-Sprecher hätten im Wesentlichen auf bereits veröffentlichte Pressemeldungen verwiesen und angekündigt, dass sich die Führungsebene bereiterklärt hätte, sich mit den Initiatoren der Kampagne zusammenzusetzen.
Am 07.07.2020 trafen sich dann Vertreterinnen und Vertreter der Kampagne mit Mark Zuckerberg, Sheryl Sandberg und Christopher Cox. Im Anschluss veröffentlichten sie (etwa auf der Seite von NAACP) ein Statement, um ihrer Enttäuschung über den Verlauf des Gesprächs – auf die wenigsten der Kampagnenforderungen sei eingegangen worden – Ausdruck zu verleihen:
„It was abundantly clear in our meeting today that Mark Zuckerberg and the Facebook team is not yet ready to address the vitriolic hate on their platform. Zuckerberg offered the same old defense of white supremacist, antisemitic, Islamophobic and other hateful groups on Facebook that the Stop Hate For Profit Coalitions, advertisers and society at large have heard too many times before.”
NAACP, 07.07.2020
Allerdings hat Facebook, nachdem nach Twitter auch Twitch und Reddit bereits auf Hasspostings reagiert hatten, ebenfalls angefangen, die Firmenrichtlinien strenger auszulegen, und ist etwa gegen Accounts des rechtsextremen Netzwerks Boogaloo vorgegangen:
Auch „rund 110 Facebook- und 80 Instagram-Konten der Gruppen ‚American Guard‘ und ‚Proud Boys‘ [wurden] gelöscht, die bereits zuvor von Facebook und Instagram gesperrt worden waren“. (Frankfurter Rundschau, 16.07.2020)
„Nach Angaben von Facebook wurden 220 Accounts des in den USA nach Gewalt strebenden rechtsextremen Netzwerks gesperrt. Ebenso seien 95 Konten im zum Konzern gehörenden Bilderdienst Instagram, 106 Onlinegruppen sowie 28 Webseiten entfernt worden. Das regierungsfeindliche Netzwerk werde ab sofort als ‚gefährliche Organisation‘ eingestuft und daher von sämtlichen Plattformen verbannt, teilte Facebook mit. Zudem seien 400 weitere Gruppen und 100 Seiten gelöscht worden, die auch gegen Facebooks Richtlinien verstießen und ähnliche Inhalte verbreitet hätten.“
Deutsche Welle, 01.07.2020
Der Kampagnen-Monat und seine Unterstützer
Am 02.07.2020 veröffentlichte CNN einen Artikel nicht nur mit einer Liste, auf der viele der an der Kampagne teilnehmenden Unternehmen aufgelistet waren, sondern auch mit den verschiedenen Kommentaren und Begründungen der Firmen dazu, warum sie sich dem Protest angeschlossen haben.
Auch deutsche Unternehmen schlossen sich der Kampagne an. In einem Artikel des Handelsblatts nannten verschiedene von ihnen ihre Motivation, sich auf diese Weise zu positionieren, so etwa SAP („Dies ist ein wichtiger Bestandteil unseres Einsatzes für soziale Gerechtigkeit und Gleichstellung. … Für einen nachhaltigen Wandel müssen auch wir unsere Rolle auf Plattformen hinterfragen, die systematisch die Verbreitung von Hass und Rassismus fördern“) oder Henkel („Als weltweit tätiges Unternehmen steht Henkel für Toleranz, Vielfalt, Respekt und gegen jegliche Form von Rassismus, Diskriminierung, Hassrede und Gewalt. Diese Haltung erwarten wir auch von allen unseren Geschäftspartnern auf der ganzen Welt, einschließlich unserer Werbepartner“). (Zitate aus ZDF.de, 30.06.2020)
Die Dauer des geplanten Werbeverzichts ist durchaus unterschiedlich: „Der amerikanische Mobilfunkbetreiber Verizon will seine Werbepause solange aufrechterhalten, bis Facebook eine akzeptable Lösung anbiete. Der japanische Fahrzeug- und Motorenhersteller Honda zieht seine Werbung für einen Monat zurück, und der britisch-niederländische Konsumgüterriese Unilever – wegen der US-Präsidentschaftswahl im November – sogar für den Rest dieses Jahres.“ (Deutsche Welle, 27.06.2020)
Verschiedene Verbände in Deutschland haben sich zum Boykott geäußert:
„Während der IT-Verband Bitkom den Boykott kritisch sieht, zeigte sich der Internetverband Eco offen für das Vorgehen der Unternehmen im Kampf gegen Hass und Hetze im Internet, wie das ‚Handelsblatt‘ am Mittwoch berichtete. Der Bundesverband Digitale Wirtschaft (BVDW) wollte sich demnach nicht klar positionieren.“ (Deutsche Welle, 01.07.2020)
Wie viel sich mit der Kampagne letztlich erreichen lässt, ist strittig. Im Standard vom 05.07.2020 heißt es, dass der Protest zwar ärgerlich für das Ansehen sei, sich aber kaum auf die Bilanz niederschlage:
„Öffentlich erklärt das Unternehmen, seine Richtlinien nur auf Basis von Prinzipien zu gestalten und nicht auf finanziellen Druck hin. Dazu passt, dass man sich gegenüber den boykottierenden Unternehmen auch kaum entgegenkommend zeigt. Man belässt es bei vagen Ankündigungen.“
Der Standard, 05.07.2020
Bereits Anfang Juli 2020 hieß es im Spiegel: „Für Facebook jedenfalls ist die Situation allenfalls aus diplomatischer Sicht schwierig, aus finanzieller eher nicht. Der wirtschaftliche Druck durch den Boykott ist überschaubar, das Ganze sei eher ein PR-Problem, wie CEO Mark Zuckerberg intern selbst sagte. ‚Ich schätze, die Kunden kommen bald genug wieder‘, teilte er seinen Angestellten am vergangenen Freitag mit.“ Und auch an der Börse war der Effekt nur vorübergehend sichtbar: „Das Einzige, was sich in den vergangenen Tagen klar verändert hat, war der Aktienkurs von Facebook. Vom Absacken vor einer Woche um sechs Prozent hat er sich fast komplett erholt.“ (Der Spiegel, 03.07.2020)
USA Today schrieb gegen Ende des Boykott-Monats, dass rund 1.100 Werber von Firmen keine Anzeigen bei Facebook und Instagram schalten, darunter Walt Disney, Harley Davidson, Novartis und Bayer. Einige der beteiligten Unternehmen planten, ihre Werbung auf diesen Plattformen bis zum Jahresende auszusetzen. Dennoch sei nur eine einzige der Forderungen von #nohateforprofit akzeptiert worden (und auch diese nur eingeschränkt). Die Bürgerrechtsgruppen, die die Kampagne initiiert haben, veröffentlichten ein „Dear Mark“-Video, auf der Seite von Stop Hate for Profit zu sehen, in dem es unter anderem heißt:
“’Dear Mark, there are things we like about Facebook: birthdays, staying in touch, sharing our lives with our friends,’ the video begins. ‘But there’s a more sinister side of Facebook, the one that spreads hate, racism, misinformation and gives extremists a way to communicate and coordinate.’”
USA Today, 23.07.2020
Finanzieller Schaden? Politischer Druck?
Wie es mit Facebook weitergeht, ist zum jetzigen Zeitpunkt nicht abzusehen. Ein Imageschaden wurde eingestanden; finanziell ist kein größerer Schaden zu befürchten. Im Gegenteil: Im Kontext der Corona-Pandemie scheint es den großen Techfirmen sehr gut zu gehen:
„ … der Zuckerberg-Konzern konnte den Anzeigenboykott dank der Buchungen kleinerer und mittlerer Unternehmen locker weggestecken (sic!). Die sind dem blauen Riesen treu geblieben und haben weiter kräftig Werbung geschaltet. Konkret: ein Umsatzplus um elf Prozent auf jetzt 18,69 Milliarden Dollar. Und auch bei den Nutzerzahlen geht es für das Unternehmen weiter nach oben. Grund dürfte hier vor allem die Corona-Pandemie sein. Facebook ist im Jahresvergleich um gut zwölf Prozent gewachsen und kommt jetzt auf 1,79 Milliarden tägliche Nutzer. Nimmt man jetzt noch Whatsapp und Instagram dazu, dann gewinnt der Social-Media-Konzern 14 Prozent hinzu und kommt auf 3,14 Milliarden monatliche Nutzer.“
(Tagesschau, 31.07.2020)
Zwar musste Facebook sich zusammen mit Google, Apple und Amazon vor dem Justizausschuss des US-Repräsentantenhauses äußern – allerdings vorwiegend (wenn auch nicht nur) wegen Fragen der Marktmacht und des unfairen Wettbewerbs.
Doch die Befragung berührte auch andere Bereiche:
„Die US-Konzerne sind verschiedenen Vorwürfen unfairen Wettbewerbs ausgesetzt, denen die Abgeordneten seit gut einem Jahr nachgehen. Konfrontiert wurden sie auch mit Bedenken über mutmaßliche politische Voreingenommenheit der Dienste, deren Auswirkungen auf die Demokratie in den USA und deren Rolle in China. Die Reihe von Anhörungen soll Impulse für neue Regulierungsmaßnahmen bringen.“ (Die ZEIT, 30.07.2020) In diesem ZEIT-Artikel heißt es auch, dass der US-amerikanische Präsident den Kongress zu Maßnahmen gegen die Firmen aufgerufen habe: „’Wenn der Kongress Big Tech nicht zur Fairness bringt, was schon vor Jahren hätte passieren sollen, werde ich das selbst mit meinen Präsidialanordnungen tun‘, schrieb er auf Twitter. Details nannte Trump nicht. In der Vergangenheit hatte er die Technologiefirmen dafür kritisiert, dass sie gegen Falschinformationen vorgingen, die er weitergeleitet hatte.“
Die Mehrheit der republikanischen Ausschuss-Mitglieder habe sich deshalb „ … auf den Vorwurf [konzentriert], dass Plattformen wie Facebook rechtskonservative Meinungen und Medien unterdrücken würden, dass sie Zensur übten“. Der SPIEGEL, 30.07.2020
„Während Demokraten mit Blick auf Facebook beklagten, dass die Plattform zum Beispiel Videoclips mit offensichtlichen Fehlinformationen zum Coronavirus an ein Millionenpublikum verbreitet, regten sich die Republikaner darüber auf, dass Facebook solche Inhalte manchmal vom Netz nimmt. Die einen pochen auf Grenzen der Meinungsfreiheit, die anderen auf ein Recht zur Lüge.
Der SPIEGEL, 30.07.2020
…
Hier schließt sich ein böser Zirkel: Dass sich Amerika auf keine geteilten Wahrheiten, auf keinen gesellschaftlichen Konsens mehr einigen kann, geht auch auf die polarisierenden Kräfte sozialer Medien zurück, auf Fake News, Hate Speech, Filterblasen, Desinformation. Und der Ausschuss, der dagegen vorgehen will, ist zu polarisiert, um das Problem wirksam anzupacken.“
(K)Ein Fazit?
Wird sich der Protest fortsetzen? Werden sich zunehmend Menschen von der Plattform abwenden? Oder werden Gesetzgeber aktiv?
Am 30.07.2020 steht auf der Seite von #Stophateforprofit:
„Since the start of our campaign, some of the most iconic brands in the world have pulled millions in ad dollars from the platform. Stop Hate for Profit already forced Facebook to make a series of concessions to long-standing demands of civil rights organizations. They announced the creation of a senior role to oversee civil rights. They established a dedicated team to study algorithmic racial bias. They publicly released their long-delayed civil rights audit that demonstrated their ‚vexing‘ policy decisions were ’setbacks for civil rights.‘ Their new commitment to an independent audit may end up satisfying one of our demands if it is independent, transparent, and public. And they have finally begun taking long overdue action against some hateful movements like Boogaloo. If not for Stop Hate for Profit and this extraordinary coalition of businesses, nonprofits and consumers, none of this would have happened. But this is not close to what needs to happen.”
Der Text listet auf, welche Forderungen aufrechterhalten werden, welche Probleme noch gelöst werden müssen, und endet mit den Worten:
„Now, we know that change will not happen overnight, and we remain willing to engage with Facebook when they are prepared to commit to a public timeframe and substantive action relative to our very straightforward demands.
Mark Zuckerberg, the ball is in your court.”