Mathias Peer, Bangkok
Ich sitze in einem Bus, irgendwo zwischen Pune und Mumbai, und tippe mit den Daumen meinen Artikel in das Fünf-Zoll-Display meines Smartphones. Die Zitate von dem Fabrikchef, den ich gerade getroffen habe, kommen in den Einstieg. Die Probleme im Indien-Geschäft, die er anschaulich beschreibt, finde ich unmittelbar vor einem Treffen von Kanzlerin Angela Merkel mit Indiens Regierungschef Narendra Modi besonders interessant. Experteneinschätzungen über die deutsch-indischen Wirtschaftsbeziehungen habe ich schon vorher eingeholt. Als zwei Stunden später vor den Busfenstern die Skyline Mumbais aufleuchtet, bin ich mit dem Textentwurf fertig.
Geschrieben habe ich den Artikel mit einer Online-Textverarbeitungssoftware, mit der mehrere Personen gleichzeitig an einem Dokument arbeiten können. Ich teile den Text mit meinem Kollegen, der gerade 3000 Kilometer entfernt im Büro in Bangkok sitzt. Auf meinem Bildschirm sehe ich, wie sein Cursor über die Zeilen gleitet. Ein paar komplizierte Formulierungen gefallen ihm nicht. Ich übernehme seine alternativen Vorschläge. „Sonst gut“, tippt er in das Chatfenster. Einen Augenblick später schicke ich den Text an die Redaktion.
Früher hatten Korrespondenten – vor allem bei Printmedien – oft den Ruf von Einzelkämpfern, die sich teils wochenlang durch die hintersten Winkel der Welt durchschlagen und dann irgendwann wieder mit ihrer Geschichte auftauchen. Ich weiß nicht, ob dieses Klischee wirklich jemals stimmte. Aber mit meinem Arbeitsalltag hat es absolut nichts mehr zu tun.
Seit meinem ersten Tag als Korrespondent ist mein Job Teamarbeit. Als ich im Juli 2012 in Bangkok landete, um von hier aus über Süd- und Südostasien zu schreiben, war ich nicht alleine. Neben mir am Gepäckband wartete Frederic Spohr. Wir sind seit unserer Zeit an der Kölner Journalistenschule befreundet. Uns verbindet Neugier und Abenteuerlust – und vielleicht auch eine Portion Verrücktheit. Eine hilfreiche Mischung, wenn man mit Mitte 20 auf einen anderen Kontinent zieht.
Seit rund sechs Jahren arbeiten wir nun zusammen. Wir besprechen morgens Themenideen und redigieren nachmittags gegenseitig unsere Texte. Wir entwickeln gemeinsam Konzepte für langfristige Projekte und stehen unseren regelmäßigen Auftraggebern als Team zur Verfügung. Gerade für tagesaktuelle Berichte ist das extrem nützlich: Während der eine für eine Reportage Myanmars Irrawaddy-Fluss entlangtuckert, kann der andere die Nachrichten aus der ganzen Region im Blick behalten. Die Medien, mit denen wir zusammenarbeiten, sehen uns als Einheit. Unsere Nachnamen – Peer und Spohr – werden von den Redakteuren dann auch schon mal zu Speer vermischt.
Wir berichten über eine große Region mit rund zwei Milliarden Einwohnern und mehr als ein Dutzend Länder. Wir sind deshalb auch viel unterwegs – in manchen Monaten verbringe ich mehr Nächte in Hotelzimmern als in meinem eigenen Bett. Weil wir uns oft nicht am gleichen Ort befinden, funktioniert das Korrespondentenbüro von Frederic und mir vor allem virtuell: Über Skype und Google Docs oder Slack und Facebook-Chats. Dank billigen Datentarifen geht das auch dann ausgezeichnet, wenn Frederic gerade durch philippinische Dörfer stapft und ich in einem indischen Nachtzug liege.
Die Arbeit im Team und das gegenseitige Feedback bringt uns nicht nur auf mehr Ideen und macht unsere Berichte besser – sie macht auch mehr Spaß. Und weil wir überzeugt davon sind, dass sich der Austausch lohnt, sind wir vor zwei Jahren auch dem Korrespondentnetzwerk Weltreporter.net beigetreten: eine Gruppe von rund 50 freien deutschsprachigen Journalisten, die wie wir im Ausland leben und von dort berichten. Wir unterstützen uns gegenseitig mit Kontakten, diskutieren über Honorarverhandlungen, schreiben gemeinsam Bücher und treffen uns einmal im Jahr persönlich, um voneinander zu lernen.
Dass ich als Korrespondent oft sehr weit weg bin von den Kollegen in der Heimat, liegt in der Natur der Sache. Dass ich trotzdem kein Einzelkämpfer sein muss, finde ich großartig.
Mathias Peer berichtet als freier Korrespondent für das Handelsblatt über Südostasien und Indien. Zudem erschienen Beiträge von ihm zuletzt unter anderem auch in der Wirtschaftswoche, Die Zeit, Deutschlandfunk und Die Presse.