Die Welt ist groß und die Tagesschau hat nur 15 Minuten. Dennoch nehmen Politik und Ereignisse im Ausland eine mindestens ebenso wichtige Stellung in den Fernsehnachrichten ein wie das politische Geschehen in Deutschland. Donald Trump war 2017 gar häufiger in den Nachrichten zu sehen als Angela Merkel. Das zeigen die aktuellen Ergebnisse des „InfoMonitors 2017“, einer Erhebung zu den Themen- und Inhaltsschwerpunkten der wichtigsten Fernsehnachrichten im öffentlich-rechtlichen und privaten TV Deutschlands, die seit 2005 jährlich vom Institut für empirische Medienforschung (IFEM) in Köln durchgeführt wird.
Wir stellen einige Ergebnisse des InfoMonitors 2017 zur Berichterstattung über das Ausland in den Nachrichten vor sowie Ergebnisse einer internationalen Untersuchung, die vergleicht, wie viel in anderen Ländern über das Ausland berichtet wird, und zeigt, welchen Einfluss Auslandsberichterstattung im Fernsehen auf den Wissensstand der Zuschauer(innen) über die Welt hat.
InfoMonitor 2017: Das Ausland in deutschen TV-Nachrichten
Im Jahr 2017 waren die TV-Nachrichten in Deutschland von der Bundestagswahl, dem Amtsantritt und Handeln Donald Trumps, vom Terror im In- und Ausland sowie von den angespannten deutsch-türkischen Beziehungen bestimmt.
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Insgesamt nahm dabei die Berichterstattung zur Politik im Ausland besonders bei den öffentlich-rechtlichen Sendern einen höheren Anteil der Sendezeit in Anspruch als Berichterstattung zur deutschen Politik. Wie der InfoMonitor 2017 zeigt, hatte die Tagesschau 2017 einen Auslandsanteil von 63 Prozent, bei den Sat1 Nachrichten liegt dieser mit 49 Prozent im Vergleich am niedrigsten.
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Die meisterwähnte Nation waren mit weitem Abstand die USA, deren Nachrichtenpräsenz sich im Vergleich zum Vorjahr um 20 Prozent erhöhte. Ebenso mit weitem Abstand war Donald Trump der meisterwähnte Politiker in den Fernsehnachrichten. Er brachte es in Tagesschau, Tagesthemen, heute, heute journal, RTL aktuell und den Sat1 Nachrichten zusammen 2017 auf 2095 Auftritte, das sind 140 mehr, als es bei Angela Merkel der Fall war.
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Auf Platz zwei und drei im Ranking der Auslandsberichterstattung lagen Frankreich und Großbritannien. In beiden Ländern wurde 2017 gewählt. Rang vier nimmt die Türkei ein, die ab Februar mit der Festnahme des deutsch-türkischen Journalisten Deniz Yücel sowie mit dem Verfassungsreferendum im April für Schlagzeilen und eine Krise in den deutsch-türkischen Beziehungen sorgte. So überrascht es auch kaum, dass Recep Tayyip Erdogan nach Donald Trump der am zweithäufigsten erwähnte ausländische Politiker in den TV-Nachrichten 2017 war.
„Vor dem Hintergrund der Ereignisse im Jahr 2017 verdankten die Auslandspolitiker ihre Auftrittschancen in den deutschen Fernsehnachrichten hauptsächlich Konflikten, Wahlen und Normabweichungen.“
(Udo Michael Krüger und Thomas Zapf-Schramm)
Insgesamt beobachten die Forscher, dass die Präsenz ausländischer Politiker in den deutschen Nachrichten 2017 zugenommen hat, was sie einerseits auf die Wahlen in vielen Ländern zurückführen, aber auch auf die „Normabweichungen“ der ausländischen Politiker(innen). Die britische Premierministerin Theresa May und Marine Le Pen, Vorsitzende des rechtspopulistischen Front National in Frankreich, sind übrigens die einzigen Frauen in der Liste der 20 im Jahr 2017 am häufigsten erwähnten Politiker(innen) in den deutschen TV-Nachrichten.
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Wenn über das Ausland berichtet wird, gibt es häufig einen Bezug zu Deutschland. Besonders von den vier am häufigsten genannten Ländern ist in den Nachrichten oft gemeinsam mit Deutschland die Rede. Ansonsten steht meist die Beziehung der Länder zu den USA im Fokus der Nachrichten, so zum Beispiel im Fall Nordkoreas oder des Iran. Europa nimmt vor allem als Staatengemeinschaft eine herausragende Rolle in der Berichterstattung ein. Syrien war 2017 in den Nachrichten weit weniger präsent als im Jahr zuvor. Es nahm insgesamt Platz 6 unter den meisterwähnten Ländern ein, nach Russland. Bezogen auf den asiatischen Raum standen regelmäßig Nordkorea und China im Fokus. Aus Lateinamerika schaffte es kein Land in die Top 20 der meisterwähnten Länder in den deutschen Fernsehnachrichten, ebenso kein Land vom afrikanischen Kontinent.
Natürlich wird von deutschen Sendern nicht nur im linearen TV über Deutschland und das Ausland berichtet. Auf tagesschau.de finden Zuschauer(innen) Zusatzinformationen zur Hauptsendung sowie Nachrichtenmeldungen rund um die Uhr. Auf dem „Nachrichtenatlas“ erscheinen die tagesschau.de-Meldungen sowie Beiträge aus den gesendeten Nachrichten nach Ländern sortiert. Anzeigen lassen sich die Nachrichten der vergangenen 24 Stunden, aus den letzten drei, sieben oder 14 Tagen. Auch hier bilden sich die Länderschwerpunkte der Hauptnachrichten ab.
11-Länder-Studie zur Auslandsberichterstattung
Wie wichtig eine ausführliche Auslandsberichterstattung ist, zeigt eine von der norwegischen Politikwissenschaftlerin Toril Aalberg geleitete internationale Studie, die einen direkten Zusammenhang zwischen dem Stellenwert von Auslandsberichterstattung im nationalen Fernsehen und dem Wissensstand der Zuschauer(innen) feststellte. „Je mehr Auslandsnachrichten die TV-Sender eines Landes bringen, desto informierter ist die Bevölkerung über das Auslandsgeschehen“, fasst Tina Bettels-Schwabbauer das Kernergebnis der Studie zusammen. Sie ist leitende Redakteurin der deutschen Website des European Journalism Observatory und wissenschaftliche Mitarbeiterin am Erich-Brost-Institut für internationalen Journalismus der TU Dortmund.
Die Ergebnisse der Studie wurden 2013 in der Zeitschrift Journalism Studies veröffentlicht und die verwendeten Daten 2010 erhoben. Deutschland wurde in der Untersuchung nicht betrachtet, dafür aber elf Länder aus verschiedenen Regionen der Welt, darunter auch die USA. Dort nahm Auslandsberichterstattung 2010 nur 14 Prozent der Beiträge aus den untersuchten TV-Nachrichtensendungen in Anspruch. Dass das nicht immer so war, verrät ein Blick in die Zeit des Kalten Krieges, zu der der Auslandsanteil US-amerikanischer Nachrichten über 40 Prozent lag. Insgesamt zeigte sich in der Untersuchung, dass in kommerziellen Medienmärkten wie den USA oder Australien ohne einen starken öffentlich-rechtlichen Rundfunk weniger über politische, wirtschaftliche oder gesellschaftliche Auslandsnachrichten berichtet wird, dafür nehmen „soft news“ etwa über Prominente und Sport in den privaten Medien einen höheren Stellenwert ein.
„For instance, the relatively high interest in foreign affairs reported by US and Australian respondents indicates that news editors do not always give audiences what they want.“ (Aalberg T., Papathanassopoulos S., Soroka S., Curran J. et al. (2013) INTERNATIONAL TV NEWS, FOREIGN AFFAIRS INTEREST AND PUBLIC KNOWLEDGE. Journalism Studies 14(3): 387–406.)
Neben der Frage, welches Gewicht Auslandsberichterstattung in den TV Nachrichten in den untersuchten Märkten hat, beschäftigte sich das internationale Wissenschaftlerteam auch mit der Frage, ob das hohe oder geringe Angebot an Auslandsnachrichten das (Des-)Interesse der Zuschauer(innen) widerspiegelt. Auf Basis einer quasi-repräsentativen Umfrage unter mindestens 1.000 Probanden pro Land zeigte sich, dass über die Hälfte der US-Amerikaner(innen) sich durchaus für Auslandsnachrichten interessiert; damit war der Anteil der an Auslandsnachrichten Interessierten in den USA sogar höher als in den meisten untersuchten europäischen Ländern, in denen deutlich mehr Auslandsnachrichten gezeigt werden. Aus einem geringen Angebot an Nachrichten aus dem Ausland lässt sich also nicht zwangsläufig schließen, dass das Publikum daran kein Interesse hätte.
„Although there is a far from perfect relationship, there is clearly a positive correlation between the share of international hard news coverage that is supplied by the main broadcasters in the country and the public’s awareness of international events, organizations, or political leaders.“ (Aalberg T., Papathanassopoulos S et al. 2013)
Eine deutliche Korrelation zeigte sich in der Untersuchung hingegen zwischen dem Anteil der Auslandsnachrichten und dem Wissen des Publikums über das Ausland. Die Befragten aus den elf Ländern der Studie sollten unter anderem Vladimir Putin und Angela Merkel identifizieren sowie Ban Ki-Moon als den damaligen US-Generalsekretär. Während über die Hälfte der befragten Briten und Norweger Ban Ki-Moon als UN-Generalsekretär identifizieren konnten, waren es in den USA nur 25 Prozent. Wer die Taliban sind, wussten in den USA nur 17 Prozent der Befragten – trotz der Nachrichtenpräsenz Afghanistans in den US-Nachrichten im untersuchten Zeitraum.
Fazit
Welche Rolle das Ausland in den Fernsehnachrichten spielt, hängt von vielen Faktoren ab. Von welchen Ländern häufig berichtet wird, liegt an ihrer Beziehung zum berichtenden Land bzw. der Relevanz der Geschehnisse für dieses. Bestimmte Themen wie etwa Wahlen oder Krieg erhöhen die Aufmerksamkeit, die einer Nation in den Nachrichten anderer Länder zuteil wird. Politiker(innen) können sich aber auch durch ihr Verhalten in den Vordergrund drängen – wie dies aktuell bei Donald Trump geschieht.
Die Organisationsform des Senders lässt Schlüsse darüber zu, ob eher über „hard“ oder „soft“ News aus dem Ausland berichtet wird. Für Deutschland liegt ein großes Augenmerk sowohl öffentlich-rechtlicher als auch privater Sender auf Ereignissen im Ausland. Ein Blick in Nationen wie die USA, Australien oder Indien zeigt aber, dass Auslandsberichterstattung andernorts eine viel geringere Rolle einnimmt.
Vor dem Hintergrund einer direkten Beziehung zwischen dem Anteil von Berichten über das Ausland in den TV-News und dem Wissen der Bürger(innen) über das Ausland, ist Auslandsberichterstattung in den Nachrichten unverzichtbar für ein Verständnis einer globalisierten Welt.
Dieser Beitrag ist Teil unseres Jahresthemas ’18 „Globales Leben“. |