Von Friedrich Hagedorn
Nachdem der Club of Rome mit seiner spektakulären Studie „Grenzen des Wachstums“ 1972 erstmals die dramatischen Folgen eines unbegrenzten Ressourcenverbrauchs in den Blickpunkt der Öffentlichkeit gerückt hatte, entwickelte sich in den Folgejahren gerade auch in Deutschland eine zunehmende Sensibilität für Umweltprobleme – die neue Umweltbewegung entstand. Großdemonstrationen gegen die Kernkraftwerke in Whyl und Brockdorf in den 70er Jahren, die Gründung des Bundesverbandes Bürgerinitiativen Umweltschutz (BBU) 1972, des Umweltbundesamtes 1974 und der Bundespartei „Die Grünen“ 1980, deren erstmaliger Einzug in den Bundestag 1983 und die erste Rot-Grüne Landesregierung in Hessen mit Umweltminister Joschka Fischer markieren den Weg dieser Bewegung in die Mitte der Gesellschaft.
Zeitgleich entstand in den 1970er Jahren eine moderne Umweltbildung, auch in den begrifflichen Varianten von Umwelterziehung, Öko-Pädagogik u.a.m. Die Umweltbildungseinrichtungen in Deutschland fanden sich 1988 in der Arbeitsgemeinschaft Natur- und Umweltbildung (ANU), zusammen. Auch die Medien, nicht zuletzt das Fernsehen, spiegelten und verstärkten den Trend zu einem größeren öffentlichen Umweltbewusstsein: 1973 richtete des ZDF eine Umweltredaktion ein, Grimme-Preis-Auszeichnungen für bekannte Produktionen wie „Auf der Suche nach der Weit von morgen: Am Ende unserer Zukunft?“ (1971), „Septemberweizen“ (1981) oder „Und ewig stinken die Felder“ (1985) sind Beispiele für den damaligen Einzug der Umweltthemen ins Fernsehprogramm.
Umweltbewusstsein durch mediale Aufklärung
So war es nur konsequent, dass das (Adolf-)Grimme-Institut versuchte, die Potenziale des Fernsehens und die der Umweltbildung aufeinander zu beziehen, nämlich etwa durch die didaktische Begleitung der Produktion „Septemberweizen“ von Peter Krieg oder durch die Erarbeitung eines „Medienpakets Ökologie“ mit dem Titel „Stille Wasser – kein schöner Land“ (1987). Ein vom Institut einberufener Arbeitskreis von Umwelt- und Bildungsexperten, unter ihnen der später mehrjährige Präsident des Umweltbundesamtes Jochen Flasbarth (bis Dez. 2013), sichtete und selektierte geeignete Sendungen, konzipierte begleitende Materialien, so dass ein Medienbildungsangebot in Sachen Umwelt entstand, das stark am Aufklärungsanspruch des Fernsehens orientiert war: durch das Aufzeigen von Missständen und möglichen Alternativen zu einem größeren Umweltbewusstsein beizutragen und damit auch umweltgerechteres Verhalten zu fördern.
Fernsehen und vernetzte Öffentlichkeiten
Spätestens die UNO-Konferenz in Rio de Janeiro 1982 machte deutlich, dass Umwelt und Entwicklung im Zusammenhang zu sehen und Umweltfragen nur mit einem globalen Verständnis von nachhaltiger Entwicklung zu beantworten sind.
Ein im Jahr 1992 einmalig vergebener Grimme-„Nord-Süd-Sonderpreis“ für die TV-Produktion „Mit offenen Augen in die Katastrophe“ unterstrich die veränderte Perspektive auch aus der Sicht des Fernsehens. Bereits zwei Jahre zuvor hatten ARD und ZDF zusammen mit zahlreichen ausländischen TV-Sendern einen Programm-Schwerpunkt „Eine Welt für alle“ ins Leben gerufen, der den Zusammenhang von Umwelt und Entwicklung als gemeinsame internationale Verantwortung ansah und dabei besonders Beispiele und „den Blick des Südens“ akzentuierte.
Auch diesen Programm-Schwerpunkt, der allerdings nur wenige Folgejahre erlebte, begleitete das Grimme-Institut mit Publikationen und Video-Editionen. Hinzu kam der Versuch, und das war in dieser Form ein Novum, den Impuls des Fernsehens für das öffentliche Agenda-Setting mit einer konzertierten Aktion von NGOs und Bildungseinrichtungen zu verknüpfen. Es wurde nicht mehr allein auf die aufklärerische Macht der Fernsehbilder vertraut, sondern auf deren Begleitung mit eigenen Kommunikations- und Handlungsräumen, auf die Verknüpfung von medialer Öffentlichkeit und zivilgesellschaftlichem Engagement.
Neue mediale Zugänge und erweiterte Kommunikationsformen
Doch mit der – wenn auch oftmals nur symbolischen – politischen Anerkennung von Umweltthemen (bzw. von Entwicklungs- und Nachhaltigkeitsthemen), mit deren Vordringen in Lehrpläne, Berufsausbildung und gesellschaftliche Organisationen, verlor sich in den 90er Jahren zunehmend auch deren subversive und rebellische Kraft. Es mussten neue kommunikative Zugänge und andere mediale Präsentationsformen gesucht werden, die einerseits zum Lebensstil und zu den Rezeptionsgewohnheiten jugendlicher Zielgruppen passten (denn um die ging es im Wesentlichen) und die andererseits in Inhalt und Form aber auch neue, attraktive Akzente setzen konnten.
„Die Frage jugendlichen Umwelt-Engagements wird nicht zuletzt zur Frage adäquater Kommunikationsformen. Wie lässt sich also das Thema Umwelt kommunizieren, ohne gleich als staatstragend, oberlehrerhaft, hausbacken oder einfach langweilig klassifiziert zu werden? Wie lassen sich Umweltthemen im Gegenteil mit positiven Lebensgefühlen, mit Lust und Humor assoziieren, ohne inhaltliche Ansprüche preis zu geben?“ So lauteten die Ausgangsfragen eines Kooperationsprojekts mit dem WDR, hier zitiert aus der Abschlusspublikation „Zwischen Quote und Kröte“ (2000), bei dem Ende der 90er Jahre speziell die populären Jugendwellen (von EinsLive bis Radio Fritz) in den Blick kamen. Mit deren Redakteuren und Autoren wurden Ideen, Konzepte und konkrete Beispiele für eine zwar formatgerechte, aber dennoch innovative Präsentation von Umweltthemen im Jugend-Programm erarbeitet. Dabei erwies es sich als zunehmend wichtiger, Jugendliche selbst in die Programmgestaltung einzubeziehen: sei es als Protagonisten und „Macher“ von Sendungen oder eben programmbegleitend – nicht zuletzt im Internet.
Spätestens Ende der 90er Jahre kristallisierte sich das Internet immer mehr als eigenständiges Medium heraus (Grundlage auch für die Konzeption des Grimme Online Award im Jahr 2000), das insbesondere der Nachhaltigkeitskommunikation mit partizipativem Anspruch große Chancen eröffnete. Mit dem Web-Special „Zukunft gewinnt“, hervorgegangen aus einem gleichnamigen, von der Umwelt-Stiftung geförderten Projekt, wurden daher Jugendlichen und anderen Umwelt-Engagierten gezielt Beispiele und Hilfestellungen für eine gelungene Online-Kommunikation von Umweltthemen offeriert.
Popularisierung und Ecotainment
Dennoch blieben (und bleiben) Fernsehen und andere traditionelle Massenmedien weiterhin wichtig für die öffentliche Meinungsbildung und für die Popularisierung von Nachhaltigkeitsthemen. Doch ging es nunmehr weniger darum, bereits vorhandene TV-Sendungen in die Bildungsarbeit einzuspeisen, sondern vielmehr um die Kommunikation und Sensibilisierung der Medienschaffenden selbst. Und zwar derjenigen, die nicht ohnehin in den noch verbliebenen Umwelt-Redaktionen des Fernsehens (die meisten wurden nach der Gründungswelle in den 80er Jahren im Laufe der Zeit wieder abgeschafft und in andere
Redaktionen integriert) eher Nischen-Programme für ohnehin überzeugte Zielgruppen produzierten.
Basierend auf einer im Auftrag des Rates für Nachhaltige Entwicklung erstellten Studie über die Darstellung von Nachhaltigkeitsthemen in ausgewählten Fernseh-Programmen (vor allem populäre Wissens- und Informations-Formate), wurde in den Jahren 2007 und 2008 eine unmittelbar produktionsbezogene Workshop-Reihe realisiert. In Kooperation mit dem Forschungsprojekt „Balance“, das verschiedene Modelle eines Ecotainment-Ansatzes erprobte und untersuchte (vgl. den Aufsatz von Schwender und Kreeb), wurde zusammen mit verschiedenen TV-Sendern und Produktionsfirmen aus dem öffentlich-rechtlichen und privaten Bereich danach gefragt, wie sich Nachhaltigkeits- bzw. nachhaltigkeitsrelevante Themen in populäre Fernseh-Formate aufnehmen lassen. Dabei standen nicht klassische Informationsprogramme im Vordergrund, sondern vielmehr neue Ansätze des so genannten Dokutainment oder „Factual Entertainment“.
Die überaus erfolgreiche Workshop-Reihe, bei der sich insgesamt rund 200 beteiligte TV-Akteure unerwartet offen und interessiert für Nachhaltigkeitsthemen zeigten, konnte aufgrund fehlender Finanzierung leider nicht vertieft werden. Eine Fortsetzung dieses auf die TV-Branche gerichteten Popularisierungs-Ansatzes gab es lediglich über punktuelle Kooperationen, etwa mit dem UNEP-Institut CSCP in Wuppertal, aus der ein Leitfaden „Medienmacher und Nachhaltigkeit“ hervorgegangen ist.
Nachhaltige Kommunikation im Web
Vertieft und ausgebaut wurden hingegen die Möglichkeiten der Online-Kommunikation. So wird seit dem Jahr 2010 das bereits vom Europäischen Zentrum für Medienkompetenz (ecmc) entwickelte Projekt „NRW denkt nach(haltig)“ unter dem Grimme-Dach betreut. Das seit 2008 beauftragte Projekt rückt den kompetenten Medieneinsatz in der Nachhaltigkeitsbildung in den Fokus.
So dienen elektronische Medien, vor allem das Internet und Social Media, heute nicht mehr allein der Verbreitung von Nachhaltigkeits-Botschaften, sondern vielmehr der Beteiligung, der gemeinsamen Kommunikation, der Vernetzung der Nachhaltigkeits-Akteure untereinander und deren Selbstermächtigung (self empowerment).
Andererseits gerät auch die Nachhaltigkeitsrelevanz der Produktion, Verbreitung und Nutzung elektronischer Medien selbst zunehmend in den Blick geraten, denn deren ökologischer Fußabdruck, deren Bedeutung für den Verbrauch materieller, aber auch psycho-sozialer Ressourcen ist nicht zu unterschätzen (vgl. den Beitrag von Gräßer und Hagedorn).