Neben dem Grimme Lab organisieren wir auch einmal im Jahr den „Social Community Day“. Bei diesem geht es seit mittlerweile acht Jahren darum, Fragen rund um die Möglichkeiten sozialer Netzwerke und sozialer Medien zu diskutieren.
Nachdem wir uns in der Vergangenheit auch um eher individuelle Aspekte wie etwa Selbstoptimierung gekümmert haben, sind spätestens seit 2016, dem Beginn der Kooperation mit dem Grimme Online Award, die Gesellschaft und mit ihr verbundene Partizipationsmöglichkeiten in den Mittelpunkt gerückt.
Impressionen & Meinungen
In diesem Jahr stand – wie könnte es anders sein? – Demokratie auf der Tagesordnung. Unter dem Titel „Demokratie! Wissen, Handeln, Vielfalt“ haben wir gemeinsam mit den Kolleginnen vom Grimme Online Award Aktivisten und andere Personen eingeladen, die sich von der Gesellschaft nicht (feindselig, frustriert oder gelangweilt) abwenden, sondern sie im Gegenteil begleiten, beobachten, mitgestalten und im besten Fall zum Positiven ändern wollen.
In zwei Panels – eins zu „Information für alle“, eins zu „Aktion und Engagement“ – ging es um eine ganze Reihe von Projekten und Angeboten, mit denen sich die Entwicklerinnen und Entwickler nicht nur tatkräftig einmischen, sondern auch anderen die Gelegenheit dazu geben wollen.
Im weitesten Sinne ging es also um politische Bildung in ihrem eigentlichen Kern: Menschen klarzumachen, dass es unsere Gesellschaft, unsere Demokratie ist, und dass wir Rechte und auch Aufgaben haben, unseren Teil zu ihrem Schutz beizutragen. Wenn Medien dazu geeignet sind: umso besser.
Den Auftakt machte dann auch folgerichtig Daniel Kraft von der Bundeszentrale für politische Bildung. Anhand der Struktur des von der bpb entwickelten Wahl-O-Mat – beantworte Fragen gemäß deiner persönlichen Haltung und Einstellung und du erhältst eine Wahlempfehlung – führte er aus, wie und in welchem Maße mediengestützte Angebote zur politischen Bildung das Interesse an Demokratie und gesellschaftlichen Belangen stärken können. Bemerkenswert (und auch erschreckend) war in diesem Zusammenhang ein ganz alter Filmclip der bpb: Mecki, der Igel, spricht zur Wahl.
Mecki spricht zur Wahl via @bpb_de #1953 #SCDay17 https://t.co/9EsZhfTrQo
— bpb.de (@bpb_de) 18. Oktober 2017
Im Panel „Information für alle“ wurden tatsächlich auch „alle“ adressiert: Der Kandidaten-Check des WDR hatte im Vorfeld der Bundestagswahl 554 Videoporträts von insgesamt 771 Kandidaten, die in NRW zur Wahl angetreten waren, online gestellt. Die Resi-App bietet Nachrichten im Chat-Format an. Piqd ist eine Kuratierungsplattform für ausgewählte Nachrichten, die in die Tiefe geht. Das Interaktiv-Team der Berliner Morgenpost bietet Datenjournalismus – erhobene Daten zu bestimmten Themen werden so aufbereitet, dass sie auch ein Publikum ansprechen, das keine Lust hat, sich selbst durch Statistiken und ähnliches zu arbeiten. Und Gebärdengrips stellt Informationen in Gebärdensprache zur Verfügung. In der Diskussion ging es um die Macht von Information und um das Potenzial, das sie in der Gesellschaft hat. Marcus von Jordan (piqd) sagte: „Information ist die Triebfeder für Mündigkeit – und Mündigkeit ist das, was wir brauchen für Demokratie.“
Nutzer, die sich aktiv mit Inhalten auseinandersetzen, würden Vertrauen zu Journalisten fassen und somit eher am Diskurs teilnehmen – so der Gründer der Resi-App, Martin Hoffmann. Ähnlich sah es Julia Lüke vom WDR-Kandidatencheck. Sie meinte, dass mündige Bürger von Informationen abhängig seien, da Wissen die Grundlage für Diskussion schaffe. Wichtig sei dabei, sage Marie-Louise Timcke von Interaktiv-Team der Berliner Morgenpost, dass diese Informationen für unterschiedliche Zielgruppen aufbereitet werden, um – so ihr Bild – alle Simpsons zu bedienen: Bart mit einer eher begrenzten Aufmerksamkeitsspanne, und Lisa mit ihrem Bedürfnis, den Dingen auf den Grund zu gehen.
Das zweite Panel wendete sich verschiedenen Ansätzen für Engagement zu. Ein Schwerpunkt in dieser Diskussion lag auf den unterschiedlichen Methoden, mit Hass und Falschnachrichten umzugehen. „Wir wollen den Leuten zeigen, dass es im Netz nicht nur Hass gibt, sondern auch Menschen, die diskutieren können und wollen“, sagte Sandra Meißner von #ichbinhier. Diese Facebook-Gruppe mit mehr als 37.000 Mitgliedern mischt sich da ein, wo sie Hass im Netz findet, und versucht durch sachliche Diskussionsbeiträge zu einem konstruktiveren Gesprächsklima beizutragen und Fehlinformationen richtigzustellen. Farah Bouamar von den Datteltätern, einem YouTube-Format von des Online-Medienangebots funk, erzählte, wie die Kanalbetreiber auf anti-muslimische Vorurteile reagieren – in dem sie diese aufgreifen und in Filmbeiträgen mit Humor kommentieren. Denn Humor ist für sie „ein Icebreaker. Damit man denkt: Okay, das war jetzt lustig, aber was könnte dahinterstecken“.
Der Satiriker Shahak Shapira wurde zu mehreren seiner Aktionen befragt: etwa zum Kapern von AfD-Facebook-Gruppen oder zum Aufsprayen von Hassbotschaften vor die Twitter-Zentrale, um darauf aufmerksam zu machen, dass Twitter nur einen Bruchteil der gemeldeten Verstöße bearbeitet und löscht. Auf die Frage, ob Humor ein geeignetes Instrument oder gar eine Waffe im gesellschaftlichen Engagement ist, antwortete er: „Humor muss keine Waffe sein, Humor muss dich zum Lachen bringen.“
„Humor muss keine Waffe sein, Humor muss dich zum Lachen bringen“ – @ShahakShapira #SCDay17
— Marie-Louise Timcke (@datentaeterin) 18. Oktober 2017
Giulia Silberberger betreibt den „Goldenen Aluhut“, der sich mit Verschwörungstheorien im Netz auseinandersetzt, diese entkräftet oder kommentiert. Im Kontext von Hasskommentaren sagte sie: „Ich sehe das als meine Aufgabe, mit diesen Kommentaren umzugehen… Wenn wir Screenshots veröffentlichen, zensieren wir die Namen der User grundsätzlich. Und das machen wir unter anderem aus ethischen Gründen.“ Da die Beiträge des „Aluhuts“ manchmal bis zu 2,5 Millionen Menschen erreichten, wolle sie nicht, „dass jemand wegen unserer Arbeit einen Shitstorm abkriegt“, besonders weil unter denen, die an Verschwörungen glauben und diese weiterverbreiten, einige seien, die psychische Probleme hätten.
Franzi von Kempis schließlich ist als „Besorgte Bürgerin“ im Netz unterwegs.
Sie sprach – ähnlich wie einige der anderen Panelteilnehmer – von den persönlichen Anfeindungen, denen sie oft ausgesetzt ist, besonders wenn sie verdächtigt wird, Geld von den großen Medienanbietern zu bekommen. Sie kritisiert ihrerseits aber auch die Angebote, die Politik an die Gesellschaft mache und von denen sich viele einfach nicht mehr angesprochen fühlten.
„Verdiente Klatsche für ganz Viele.“ So die #btw17 Analyse von @franzikempis auf dem #scday17
— Grimme-Institut (@grimme_institut) 18. Oktober 2017
Am Nachmittag ging es mit insgesamt vier Workshops weiter:
Marie-Louse Timcke, Stefanie Trzecinski & Victoria Michel, Sandra Meißner und ihre Kollgin Claudia Caséra vertieften ihre Ausführungen aus dem Vormittagsprogramm. Thematisch ergänzt wurde das Angebot durch Stefan Domke und David Ohrndorf vom WDR, die in ihrem Workshop die Entstehung des Projekts „Dom 360°“ schilderten.
Alle Panels und Workshops sind ausführlicher unter www.social-community-day.de dokumentiert – dank der Arbeit der SCD-Liveredaktion, bestehend aus rund 25 Studentinnen und Studenten des Masterstudiengangs „International Media Studies“ der Deutsche Welle Akademie.