Immer mehr Jugendliche zeigen politisches Interesse. Im Vergleich zu nur 30 Prozent im Jahr 2002 bezeichnen sich 2015 rund 41 Prozent der Jugendlichen als „politisch interessiert“. Männliche Jugendliche sind häufiger an Politik interessiert als weibliche. Mit dem politischen Interesse ist die Bereitschaft zur Beteiligung an politischen Aktivitäten verbunden. Die etablierten Parteien profitieren davon jedoch nicht, denn die Politikverdrossenheit bleibt weiter hoch. Jugendliche bringen den Parteien wenig Vertrauen entgegen, genauso wie großen Unternehmen, Kirchen und Banken. Das größte Vertrauen genießen Polizei, Gerichte sowie Menschenrechts- und Umweltschutzgruppen.
Shell Jugendstudie 2015
Shell Jugendstudie 2015 – Befragung „Wie tickt die Jugend?“
Politik ist also ein Thema für viele Jugendliche. Es sieht jedoch so aus, als ob es eher um politisches Engagement geht, als um das Interesse für die Parteienlandschaft. Grund hierfür scheint das Misstrauen gegenüber den Parteien zu sein sowie das Gefühl, dass die politischen Vertreterinnen und Vertreter nicht die eigenen Interessen vertreten und der Wähler / die Wählerin somit keinen Einfluss auf das politische Geschehen hat.
Neben dem Elternhaus ist die Schule eine wichtige Institution, um politische Bildung umzusetzen. Mehr hierzu im Beitrag Politische Bildung in der Schule.
Die Wahlen aber der älteren Bevölkerung zu überlassen, ist sicherlich keine gute Idee, da Bedarfe junger Menschen nicht unbedingt denen älterer Bürgerinnen und Bürger entsprechen. Dies zeigte auch der Ausgang des Brexit-Referendums in Großbritannien, in dem die pro-europäische jüngere Generation überstimmt wurde.
Wie aber kann man Neuwähler motivieren, zur Wahl zu gehen und teilzuhaben an diesem grundlegenden demokratischen Vorgang?
Politik im familiären Umfeld
Shell Jugendstudie 2015 _ Interview mit Ulrich Schneekloth (TNS Infratest)
Politische Aufklärung ist sowohl in der Familie als auch in der Schule zu finden. Besonderes Vertrauen scheinen Jugendliche jedoch eher Menschenrechts- und Umweltschutzgruppen entgegenzubringen. In der Entwicklung politischer Meinungsbildung von Kindern und Jugendlichen haben familiäre Rollenvorbilder ihren Einfluss. In der Familie zu erleben, dass Eltern wählen gehen, politisch interessiert sind und dem Gesellschaftssystem positiv gegenüber stehen, steigert das Interesse und die Teilhabe an demokratischen Prozessen.
Einen Einblick in die politische Entwicklung eines jungen Menschen gibt der Beitrag „Finn – ein Demokrat“.
Und auch im Alltag erlebte demokratische Entscheidungsprozesse innerhalb der Familie, im Kindergarten, in der Schule haben einen positiven Einfluss. Bereits im Kindergarten gibt es Modellvorhaben, die das Erlebbarmachen von Demokratie ganz oben auf der Agenda stehen haben. Ein Beispiel hierfür ist die Kita Dolli Einstein Haus, die durch das Institut für Partizipation und Bildung in Kiel nach dem Konzept „Die Kinderstube der Demokratie“ als erste Demokratie-Kita Deutschlands anerkannt und zertifiziert wurde.
Politik medial vermittelt
Neben dem Erleben und Lernen in Elternhaus und Schule sind Medien für Jugendliche eine wichtige Informationsquelle für alle Themen des Lebens, somit auch für Politik. Dies haben Medienvertreter, Bildungseinrichtungen und nicht zuletzt auch die Parteien erkannt. Welche Initiativen und Informationsquellen es gibt, möchten wir Ihnen im vorliegenden Beitrag beispielhaft vorstellen.
Der Deutsche Bundestag bietet neben seiner offiziellen Website auch ein Jugendportal unter dem Titel „mitmischen – Dein Portal zur Bundestagswahl“ an. Hier finden sich beispielsweise Videos mit Interviews von jungen Leuten für junge Leute mit Politikern. Unter dem Titel „Nicht Großeltern entscheiden lassen“ wirbt der Bundestagspräsident Norbert Lammert im Rahmen eines Interviews für eine Wahlbeteiligung der jungen Wähler.
Ein Beispiel für ein Hilfsmittel zur Vorbereitung der Wahlbeteiligung ist der Wahl-O-Mat der Bundeszentrale für politische Bildung. Diesen gibt es seit 2002 und er wurde bei Wahlen zum Europäischen Parlament, bei Landtagswahlen und Bundestagswahlen eingesetzt. Insgesamt wurde der Wahl-O-Mat im Vorfeld von Wahlen über 50 Millionen Mal genutzt. Als es zur Landtagswahl in Hessen 2013 keinen „Wahl-O-Mat“ gab, äußerten sich die Jugendorganisationen von CDU, FDP und Grünen enttäuscht und betonten, das interaktive Tool im Internet gehöre für viele junge Menschen zur politischen Kultur.
Ein weiteres Tool zur Orientierung für Jungwähler bzw. Neuwähler ist das Online-Angebot „DeinWal.de“. Das Quiz besteht aus 42 Fragen in 12 Themengebieten. Die Fragen beruhen nicht wie beim Wahl-O-Mat auf den Parteiprogrammen, sondern auf echten Abstimmungen im Bundestag der letzten Legislaturperiode und können jeweils mit Ja, Nein, oder Enhalten beantwortet werden. Die Auswertung zeigt dem Spieler/der Spielerin, welche Partei am häufigsten in eigenen Sinne abgestimmt hat. Neben kleinen inhaltlichen Fehlern in der Umsetzung, wurde das Konzept aber auch dafür kritisiert, naturgemäß nur die im Bundestag vertretenen Parteien abzubilden.
Die Initiative „Die Erstwähler“ des Landtags NRW bietet über die Website eine Liste mit FAQs und begleitete auf seinem Facebook-Account zwei junge Erstwähler bis zur Landtagswahl am 14. Mai 2017 mit Erklärvideos und weiteren Informationen.
Mit der „Initiative 80 Prozent“ will die F.A.Z. junge Menschen motivieren, ihre Interessen zu vertreten und ihre Zukunft in die Hand zu nehmen, indem sie wählen gehen. Mit prominenter Unterstützung wird erklärt, warum der Wahlgang für alle so wichtig ist. Zudem können sich junge Menschen und auch Klassen mit eigenen Aktionen und Clips aktiv beteiligen.
Der WDR hat in Vorbereitung der Landtagswahl in NRW 2017 das Projekt „Kandidatencheck WDR“ durchgeführt und die Ergebnisse online gestellt. Versucht wurde dabei, möglichst alle Kandidatinnen und Kandidaten, die zur Wahl antreten, in einem kurzen Video zu präsentieren. Bis zum 15. Mai 2017 wurden Videos erstellt und online gestellt, in denen sich Kandidaten vorstellen und für ihre politische Arbeit werben. Das Projekt wurde mit dem Grimme Online Award 2017 ausgezeichnet.
1Live bietet mit Wahltraud – Der Info-Bot einen Facebook-Messengerdienst zum Themenkreis Parteien, Kandidaten und Wahlprogramme. Nutzerinnen und Nutzer können Fragen an Wahltraud senden und finden auf dem Account zahlreiche Tipps für die Infosuche vor der Wahl.
Der SWR bietet mit dem Fakefinder ein Quiz an, das zwar nicht gezielt für die Vorbereitung der Wahl gedacht ist, jedoch Internetnutzern die Unterscheidung von Wahrheit und Betrug bei Online-News – auch in politischen Zusammenhängen – erleichtern will. Bei zehn Meldungen muss entschieden werden, ob es sich dabei um eine richtige News handelt, oder um eine erfundene. Dem Spieler/der Spielerin werden als Hilfestellung Tipps und Tools an die Hand gegeben, um den Wahrheitsgehalt zu prüfen.
FUNK | Format Deutschland3000
Thema „FDP vs. Grüne“
FUNK ist ein Netzwerk mit Inhalten für 14- bis 29-Jährige, das Formate zu unterschiedlichen Themen im Auftrag von ARD und ZDF produziert. Es arbeitet mit allen Rundfunkanstalten, mit Partnern aus der Webvideobranche und jungen, talentierten Medienmacher(inne)n zusammen und produziert unter anderem auch Beiträge zum Themenkreis Gesellschaft und Politik.
Im Netzwerk FUNK findet sich unter anderem das Format Deutschland3000, welches sich an das junge Publikum richtet und Fragen wie „Wie sicher ist Deutschland wirklich? Was wird aus Europa? Leben wir unser Leben nur für den Lebenslauf? Und ist Frauke Petry wirklich eine Populistin?“ nachgeht.
FUNK | Format INFORMR
Thema „Reichtum fairer verteilen?“
INFORMR ist ein Debattenformat des Netzwerks FUNK. Hier werden wöchentlich Themen aus Politik, Gesellschaft und Popkultur behandelt. Unter anderem kommen auf YouTube auch Politiker zu aktuellen Themen zu Wort – ein wohl gängigeres Format für junge Leute als Nachrichten, Talksendungen und Politikformate der öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten.
#DeineWahl – YouTuber fragen Angela Merkel | Mit Ischtar Isik, AlexiBexi, MrWissen2go, ItsColeslaw
Am 16. August 2017 gab es auf dem YouTube-Channel Deine Wahl ein Live-Streaming, in dessen Rahmen vier YouTuber Bundeskanzlerin Angela Merkel befragten. In einem Aufruf mit der Bitte um Fragen für das Interview stellten die vier Protagonisten die Initiative vor.
Auffällig bei der Recherche nach Informationen zum Thema Wahlen, die sich gezielt an Neuwähler wenden, ist, dass die gefundenen Initiativen und Projekte sich großenteils online abspielen. Facebook und YouTube werden sowohl von Parteien als auch von öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten genutzt, um junge Menschen zu erreichen. Im klassischen Fernsehprogramm hingegen findet man kaum Formate für das junge Publikum zur Vermittlung von politischen Inhalten.
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