Eine Studie im Auftrag der Landesmedienanstalten und Aktion Mensch zeigt deutlich: Menschen mit Beeinträchtigungen stoßen bei der Mediennutzung noch immer auf viele Hürden.
Wir leben in einem Medienzeitalter. Im Internet informieren wir uns schnell über Themen, die uns wichtig sind oder kommunizieren mit anderen. Im Fernsehen sorgen unsere Lieblingssendungen für Unterhaltung oder wir erfahren das neueste über Politik. Gleichzeitig sorgen Tablet oder Smartphone dafür, dass wir ständig erreichbar sind oder uns mit anderen austauschen. Verschiedene Medien zu nutzen, bedeutet am Leben aktiv teilnehmen zu können.
Auch aus dem Alltag von Menschen mit Behinderungen sind Medienangebote nicht wegzudenken. Deshalb sollten sie barrierefrei zur Verfügung stehen. Warum ist das so wichtig? Weil Medien auf dem Weg in eine inklusive Gesellschaft eine Schlüsselrolle spielen. Sie können helfen, die Situation von Menschen mit Behinderung in vielen Lebensbereichen zu verbessern. Teilhabe an Medien durch Barrierefreiheit ermöglicht unter anderem Bewusstseinsbildung und schafft Zugang zu Informationen und Bildung. Sie schafft die Grundlage für die Teilhabe am politischen und öffentlichen Leben sowie an Kultur, Erholung und Freizeit. Inklusion muss sich deshalb auch in Fernseh- oder Internetangeboten und Programminhalten widerspiegeln.
Leider grenzen Medienangebote immer noch viele Nutzer aus. Insbesondere Hör- und Sehbehinderte stoßen bei der Mediennutzung auf viele Barrieren. Das ergab die bislang größte Umfrage zum Thema Mediennutzung von Menschen mit Einschränkungen. Befragt wurden Menschen mit Seh-, Hör-, und körperlich-motorischen Beeinträchtigten sowie Menschen mit Lernschwierigkeiten. Ziel der Studie war es herauszufinden, ob Medienangebote und -inhalte nach persönlichen Vorlieben genutzt und dem individuellen Bedarf gemäß gestaltet werden können. Das Ergebnis der verantwortlichen Wissenschaftler an der Technischen Universität Dortmund und am Hans-Bredow-Institut für Medienforschung der Universität Hamburg ist eindeutig: Wer blind, gehörlos, ertaubt, hör- oder sehbeeinträchtigt ist oder Lernschwierigkeiten hat, kann Medien häufig nicht nach eigenen Bedürfnissen nutzen. Damit sinken die gesellschaftlichen Teilhabechancen.
Die wichtigsten Ergebnisse im Überblick
Alexander Westheide von der Aktion Mensch war so nett und hat uns im Telefoninterview die Studie zur Mediennutzung von Menschen mit Behinderung sowie das Engagement der Aktion Mensch im Bereich Medien und Barrierefreiheit vorgestellt.
Laut Studie nutzen alle befragten Gruppen das Fernsehen mindestens so stark wie die Gesamtbevölkerung. Doch sie alle kritisierten auch viele unterschiedliche Hürden: 61 Prozent der Gehörlosen sagen beispielsweise, dass es zu wenige Sendungen mit Untertiteln gibt. Menschen mit Sehbehinderung und Blinde wünschen sich mehr so genannte „Audiodeskriptionen“, die beschreiben, was gerade im Bild zu sehen ist. 86 Prozent der Gehörlosen und 48 Prozent der Blinden sagen, dass sie den Inhalten im Fernsehen „gelegentlich“ bis „sehr oft“ nicht folgen können. Trotz Untertiteln, Audiodeskription und Gebärdensprache ist ein Fernsehabend für Menschen mit Beeinträchtigungen nicht unbedingt ein Genuss. Die Untertitelung ist oft zeitversetzt, zu schnell vom Bildschirm verschwunden oder nicht synchron. Vor allem bei Livesendungen sind Untertitel häufig fehlerhaft und unvollständig. Auch die Sprachqualität und Tonverständlichkeit könnten besser sein. Viele Befragte vermissen die Möglichkeit, auf Knopfdruck einheitliche Informationen zu bekommen, ob gerade eine barrierefreie Sendung läuft. Jeder sechste Mediennutzer mit motorischen Einschränkungen hat Schwierigkeiten mit der Bedienung von Fernseh-Geräten. Fernbedienungen sind meist zu klein, es fehlen große, fühlbare Tasten. Das Internet nutzen Menschen mit Behinderung insgesamt seltener als die Gesamtbevölkerung. Das gilt vor allem für die Teilgruppe mit Lernschwierigkeiten.
Der Ausblick
Gleiche Chancen für alle, sind das erklärte Ziel des Inklusionsgedanken. Darum geht es auch bei der Mediennutzung. Damit also niemand von gesellschaftlicher Teilhabe ausgeschlossen wird, braucht es barrierefreie Zugänge zu Medienangeboten. Zwar sind Spaß und Entspannung ein Grund, Fernsehen zu schauen oder im Internet zu surfen. Viel wichtiger ist aber der Wunsch, sich zu informieren und mitreden zu können. Fernseh-Macher und auch die Anbieter von Inhalten im Netz sollten ihre Filme und Sendungen deshalb barrierefrei machen. Die Digitalisierung macht dabei vieles leichter, denn Untertitel und Audiodeskriptionen kann man einfach zu- oder abschalten.
Niemand soll vom gesellschaftlichen Leben ausgeschlossen werden. Doch ob Inklusion gelingt, entscheidet sich auch dadurch, wie selbstverständlich Menschen mit Behinderung alle Medien nutzen können. Doch nicht nur sie profitieren von barrierefreien Medienangeboten. Andere Untersuchungen zeigten nämlich bereits: Zehn Prozent der Bevölkerung sind auf Barrierefreiheit angewiesen. Für 30 Prozent ist sie hilfreich und für 100 Prozent angenehm.
Die Studie „Mediennutzung von Menschen mit Behinderungen“ hat 2016 erstmals deutschlandweit aussagekräftige Daten zu Mediennutzung, Nutzungsmotiven und Nutzungserwartungen von Menschen mit Beeinträchtigungen gesammelt und ausgewertet. Zudem enthält die Studie Daten zu individuellen Zugangs- und Nutzungsbarrieren von Medien. Sie wurde im Auftrag der Landesmedienanstalten und der Aktion Mensch von der Technischen Universität Dortmund und dem Hans-Bredow-Institut für Medienforschung der Universität Hamburg durchgeführt.
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