„Seit Beginn des Jahres 2015 wurden die Initiatoren der Mainzer Langzeitstudie Medienvertrauen zunehmend mit Anfragen von Journalistinnen und Journalisten konfrontiert, die allesamt ähnlich klangen: Wieso vertrauen die Menschen uns nicht mehr? Und schlimmer noch: Warum hassen uns so viele? Voraus gegangen waren Proteste von Islam- und Einwanderungsgegnerinnen und -gegnern im Umfeld der sogenannten Pegida-Bewegung, von denen einige lautstark ‚Lügenpresse‘ skandiert hatten – jenes Wort, das bald ins Zentrum einer sich aufschaukelnden öffentlichen Debatte über Rolle und Wirken von Medien rücken sollte. Bereits 2014 war ‚Lügenpresse‘ von einer sprachkritischen Jury zum ‚Unwort des Jahres‘ gewählt worden.“ (aus dem Vorwort der Studie „Medienvertrauen in Deutschland“, Link zum Download)
In Zeiten, in denen Journalistinnen und Journalisten als Vertreter der „Lügenpresse“ diskreditiert und angegriffen werden, in denen sich „alternative“ Medien gründen und in denen soziale Medien die Rolle der primären Informationslieferanten für wachsende Gruppen in der Gesellschaft übernehmen – in Zeiten, in denen Fakten ignoriert werden und Wahrheit verhandelbar scheint, ist es von enormer Wichtigkeit, dass seriöser Journalismus die höchsten Qualitätsansprüche an sich selbst stellt.
In der Langzeitstudie „Medienvertrauen in Deutschland“ heißt es hierzu:
„ … viele Menschen [sind] vorsichtig, wenn es um Informationen aus Social-Media-Angeboten geht; die bekannten journalistischen Marken sind für viele Bürgerinnen und Bürger hingegen nach wie vor wichtige Orientierungshilfen – auch und gerade in Krisenzeiten. Um diese Funktion zu bewahren und auch in Zukunft ausüben zu können, dürfen die etablierten Qualitätsmedien ihre Seriosität nicht verspielen, indem sie sich zu sehr dem Tempodruck und der (vermeintlichen) Regellosigkeit im Digitalen anpassen. Sie müssen sich als verlässliche und saubere Quellen empfehlen, auch und gerade im Netz und auf den Social-Media-Plattformen.“ (Nikolaus Jackob, Tanjev Schultz, Ilka Jakobs, Oliver Quiring, Christian Schemer, Marc Ziegele, Christina Viehmann: „Medienvertrauen in Deutschland“. Bonn 2023, S. 168; zu beziehen über die bpb, Link zum Download)
Herausragende Beispiele für journalistische Qualität werden mit Preisen ausgezeichnet. Diesseits dieser punktuellen Aufmerksamkeit bleibt jedoch die stetige Beobachtung der eigenen Arbeit und die der Kolleginnen und Kollegen unverzichtbar. Die Aufgabe, kontinuierlich über Qualität in der Presseberichterstattung zu wachen und Entwicklungen in der Mediengesellschaft zu kommentieren, wird unter anderem von Medienjournalisten und -journalistinnen wahrgenommen.
Zum Medienjournalismus zählt auch Medien- bzw. Kulturkritik, die einen Schwerpunkt auf die Rezension von Medienprodukten und Medienereignissen legt. So findet sich etwa auf der Medien-Seite der Süddeutschen Zeitung (eine der weniger werdenden Publikationen, die noch eine solche Seite anbieten) eine Mischung aus Besprechungen von Sendungen aus Fernsehen und Rundfunk auf der einen Seite, übergeordneten Berichten, Analysen und Kommentaren zu Aspekten der Medienlandschaft auf der anderen. In diesem Grimme-Lab-Beitrag, der Teil des Dossiers „Demokratie!“ ist, konzentrieren wir uns auf letzteres.
Ein Blick in verschiedene Medienseiten, Kolumnen und Blogs zum Thema zeigt: Medienjournalistinnen und -journalisten beobachten und erläutern alles von einzelnen Artikeln bis hin zu ganzen Reihen und Formaten; sie befassen sich mit Hintergründen und Entwicklungen in Medienlandschaft und Mediengesellschaft; sie berichten über Medienhäuser und Sender; sie ordnen die gesellschaftliche Rolle von Journalismus ein; sie mahnen journalistische Sorgfalt und redaktionelle Verantwortung an; sie warnen vor bedenklichen Phänomenen und stoßen gesellschaftliche Debatten an. Aspekte von Medienwirtschaft, Medienethik, Medienpolitik gehören ebenfalls dazu.
Die Beiträge der Medienkolumne Altpapier im willkürlich gewählten Zeitraum von Anfang Mai bis Anfang Juni 2024 verdeutlichen die Bandbreite medienjournalistischer Arbeit. Hier finden sich unter anderem Artikel
• zu Eskapismus in den Medien,
• zu „PR-Pannen“ in Chefredaktionen,
• zu Sparplänen bei Sendern,
• zu Überlegungen über Plattform-Initiativen,
• zur Berichterstattung über Angriffe auf Politiker(innen),
• über den ESC,
• über gemeinnützigen Journalismus,
• zu Lokaljournalismus,
• über Differenzierung in der Berichterstattung,
• über die mediale Erreichbarkeit gesellschaftlicher Gruppen;
• über mediale Selbstinszenierung von Politiker(inne)n.
Bereits diese ausschnitthafte Liste an Themen gibt einen Überblick darüber, an wie vielen Stellen Medienjournalistinnen und -journalisten die Medienlandschaft begleiten, untersuchen und kommentieren, um mit unterschiedlichen Formaten und Ansätzen zu Erhalt und Verbesserung von Medienqualität und so auch zu Medienvertrauen beizutragen.