Bitte stellen Sie Ihre Institution und sich kurz vor.
Esther Laukötter: Wir als Center for Advanced Internet Studies (CAIS) wollen die Dynamik des digitalen Zeitalters erforschen und verstehen. Und dabei wollen wir eine sehr offene Kultur leben und auf Leute außerhalb der Wissenschaft zugehen, um sie zu informieren, aber auch um mit ihnen in einen Austausch darüber zu kommen, in welcher digitalen Gesellschaft wir eigentlich leben wollen. Das CAIS wird seit April 2021 in Bochum zu einem zentralen Institut für Digitalisierungsforschung ausgebaut und langfristig vom Land NRW gefördert. Gegründet wurde es bereits 2017 als Forschungskolleg. Wissenschaftskommunikation spielt von Anfang an bei uns eine herausgehobene Rolle – das ist für Forschungsinstitutionen noch lange nicht selbstverständlich. Besonders am CAIS ist außerdem, dass wir interdisziplinäre Forschungsteams haben, die in Forschungsprogrammen z. B. digitale demokratische Innovationen oder Bildungstechnologien und Künstliche Intelligenz genauer unter die Lupe nehmen. Unterstützt wird das CAIS durch seine Gesellschafter: Neben dem Grimme-Institut sind das die Universitäten Bochum, Düsseldorf, Duisburg-Essen und Münster sowie die Leibniz-Institute GESIS und RWI.
Ich selbst habe im April 2021 meine Arbeit als Pressereferentin am CAIS aufgenommen. Seitdem arbeite ich eng mit meinem Kollegen Matthias Begenat zusammen, der die Abteilung für Wissenschaftskommunikation leitet.
Im Oktober 2022 fand das Wissenschaftsfestival Press Play unter Ihrer Leitung statt. Wie ist die Idee entstanden? Und was war der Anlass für das Festival?
Matthias Begenat: Die Idee hatte ich schon ca. zwei Jahren vor dem Festival. Mir schwebte ein lockeres, leicht zugängliches und eher unterhaltendes Programm vor, das ausdrücklich den üblichen akademischen Rahmen mit seinen Titeln, Hierarchien und Gepflogenheiten verlassen sollte. Das sollte für die Inhalte, die Formate, die gesamte Veranstaltung und auch für den Ort gelten. Als wir dann – verzögert durch die Pandemie – im Oktober 2022 die langfristige Förderung des CAIS gefeiert haben, war uns im Team der Wissenschaftskommunikation klar, neben einer repräsentativen Feier sollten wir unbedingt auch als gesamtes Institut zeigen, wer wir sind und was wir eigentlich machen und können. Und das eben mit einem leicht verständlichen und lockeren Angebot für alle.
Welche Methoden der Wissensvermittlung wurden dort angewendet?
Esther Laukötter: Für das Festival haben sich unsere Forschenden in mehreren vorbereitenden Workshops darauf eingelassen, in ganz neuen Formaten zu denken, um Menschen für ihre Forschung neugierig zu machen. Hieraus sind neue Formate entstanden wie z. B. ein WhatsApp-Streit zu direkter digitaler Demokratie. Jonathan Seim, der bei uns in der Abteilung Ethical, Legal and Social Issues (ELSI) arbeitet, hat polarisierende Kommentare im Chat kommentiert und gezeigt, was eine philosophische Perspektive beitragen kann. Parallel konnten die Besucher:innen in der Eingangshalle das Quiz „1, 2 oder 3“ in der Digitalisierungs-Edition spielen oder zuhören, wie Dr. Katrin Weller als Internetforscherin aus ihrem Tagebuch vorliest.
Eine Etage höher gab es eine Art Messebereich: Hier fand eine kleine Kunst-Ausstellung statt, auf der die Besucher:innen erraten sollten, ob die Werke von einem Menschen oder einer KI erzeugt wurden. Ein Highlight für Jung und Alt war außerdem unser KI-Fahrsimulator, in dem Menschen testen konnten, wie sich autonomes Fahren in Zukunft anfühlen könnte. Insgesamt zielten all unsere Formate darauf ab, dass Digitalisierungsforschung erlebbar wird. Wichtig für die Wissensvermittlung ist uns der Einbezug der Menschen auf ganz verschiedenen Leveln: Spielerisch in Quiz-Formaten, unterhaltsam in einem Science-Slam, inhaltlich z. B. in einer Diskussion darüber, ob Smart Cities auch dumm sein können oder aktiv in einem Ideen-Sprint, bei dem die Besucher:innen selbst Fragen einbringen können, zu denen wir als Digitalisierungsforschungsinstitut in Zukunft forschen sollen. Oder eben noch kleiner gedacht: bunte, gemalte Bilder von Kindern als Antwort auf eine unserer Fragen: Welche Augenfarbe hat eigentlich Siri?
Wie beurteilen Sie im Nachgang diese Methoden? Welche Erfahrungen haben Sie gemacht?
Esther Laukötter: Wir haben gezeigt: Wissenschaft kann verspielt sein und muss gar nicht immer die großen abstrakten Fragen thematisieren. Wir haben mit der KoFabrik einen Ort für besondere Begegnungen und die Vielfalt neuer Formate gefunden, die explizit einen Erfahrungsraum brauchen. Doch nicht nur der Ort ist wichtig, sondern auch, wie die Menschen im Vorhinein aktiviert werden. Im Nachgang freue ich mich über das gelungene Design zur Veranstaltung: Bunte Plakate, auf denen steht: „Alexa, gibst du mir eine Stimme?“, haben die Leute zum Nachdenken eingeladen.
Gibt es Pläne, diese Form der Wissenschaftskommunikation im CAIS fortzusetzen?
Matthias Begenat: Ja, die gibt es definitiv. Der Ansatz, einen eher spielerischen und einladenden Zugang zu setzen, das ist das, was funktioniert und mit dem das Festival-Format überzeugt hat. Die Rückmeldungen waren durchweg positiv, zum Teil sogar begeistert. In einigen Fällen haben wir sogar davon gehört, dass unser PressPlay-Festival als Best-Practice gelobt wurde. Das führt natürlich unmittelbar dazu, über eine Fortsetzung nachzudenken. Man darf allerdings nicht vergessen, welcher Aufwand für die Forscher:innen, das Team der Wissenschaftskommunikation und das gesamte Institut durch so eine Veranstaltung entsteht. Jedes Jahr kann man dies nicht stemmen. Für eine Fortsetzung ist vieles denkbar. Mir persönlich würde es gefallen, das Festival zu öffnen, stärker als Plattform zu denken und auch andere Wissenschaftler:innen aus der Digitalisierungsforschung dafür zu begeistern, ihre Arbeit wirklich einmal von den Zuschauer:innen aus zu denken. Die Ideen und innovative Formate für zukünftige PressPlay-Festivals gehen uns jedenfalls noch nicht aus.
Dr. Matthias Begenat leitet den Bereich Wissenschaftskommunikation am Center for Advanced Internet Studies (CAIS) in Bochum. Er konzipiert, plant und moderiert Formate, in denen Forschung anschaulich, verständlich und relevant präsentiert wird. Darüber hinaus forscht er zur Wissenschaftskommunikation und gibt sein Wissen und seine Erfahrungen in Workshops und Seminaren weiter.
Dr. Esther Laukötter ist Referentin für Wissenschaftskommunikation und für die Pressearbeit am CAIS zuständig. Sie ist Ansprechpartnerin für Journalist:innen und bringt Menschen zu digitalen Forschungsthemen in den Austausch. Zuvor hat sie zu Wissenschaftskommunikation geforscht und publiziert sowie zu Themen der strategischen Kommunikation gelehrt und berufspraktische Erfahrungen in verschiedenen PR-Agenturen gesammelt.