Facebook bleibt im Fokus der Debatte darüber, welche Rolle Plattformen bei der US-Wahl spielen. Das hat nicht nur mit seiner immensen Reichweite und den Möglichkeiten algorithmischer Amplifikation zu tun. Eine ganz grundsätzliche Einsicht vermittelt dazu ein Beitrag des Nachrichtensenders CNBC und illustriert diese am Beispiel einer Organisation aus dem Demokratischen Lager: „Anti-Trump super PAC Defeat by Tweet launched in June and has run up an advertising bill of more than $800,000 with an online campaign that encourages people to automatically donate money every time the president tweets.“ Doch obwohl sich die originelle Idee auf das private Medien-Megaphon des Präsidenten dreht, konnte dort kein Dollar des Budgets ausgegeben werden. Da Twitter keine Polit-Anzeigen mehr ausspielt und andere Plattformen auch restriktiv agieren, ist Facebook zu der Arena für plattformisierte politische Werbung avanciert.
Und hier rühmt sich das Unternehmen einer Transparenz, die 2016 noch fehlte und eine quasi „unsichtbare“ Kampagnenführung durch sogenannte „dark ads“ ermöglichte. Die konnte niemand außer den mittels Microtargeting adressierten Nutzer*innen nachvollziehen. Politologe und Praktiker Eli Pariser problematisierte diese Praxis bereits früh in seinem Buch „Filter Bubble“: „Wahlwerbung im Fernsehen ist ganz leicht zu überprüfen, aber woher soll ein Wahlkampfteam wissen, was der Gegner sagt, wenn dessen Anzeigen nur an weiße jüdische Männer zwischen 28 und 34 gehen, die sich bei Facebook als U2-Fans geoutet haben und für Barack Obamas Kampagne gespendet haben?“ (dt. 2012, S. 163)
In dieser Hinsicht hat Facebook inzwischen durch eine Werbebibliothek Abhilfe geschaffen, die Anzeigen inklusive Angaben dazu archiviert und öffentlich recherchierbar ist. Bei Monitoring-Initiativen und Forschenden steht das Instrument aufgrund seiner Defizite allerdings dauerhaft in der Kritik. Diverse Angebote versuchen die Angaben deshalb anzureichern oder nachvollziehbarer darzustellen. So auch ein interaktives Dashboard von Forscher*innen der Syracuse University. Diese analysieren die Unzulänglichkeiten in einem „Facebook Political Advertising Transparency Report“ und haben entsprechende Empfehlungen zur Verbesserung formuliert.
Abgesehen davon hat Facebook bei seinen Maßnahmen zum Schutz der elektoralen Integrität nochmal nachgelegt und plant sein eine Woche vor dem Wahltag beginnendes Moratorium für politische Werbung auf unbestimmte Zeit nach dem 3. November zu verlängern. Es geht darum, dass eine mutmaßlich prekäre Situation zwischen dem Ende des Wahlgangs und einem endgültigen Resultat nicht durch Akteure ausgenutzt wird, die ein rechtmäßiges Ergebnis sabotieren wollen. Dieses Ziel verfolgen weitere Vorkehrungen wie die Kontextualisierung von betreffenden Inhalten: „if a candidate or party declares premature victory before a race is called by major media outlets, we will add more specific information in the notifications that counting is still in progress and no winner has been determined.“ Ebenfalls wird konkret auf die Kritik an der Rekrutierung von Freiwilligen für Aktionen am Wahltag durch die Trump-Kampagne („Election Day Team““, „Army for Trump“) reagiert: „we will also remove calls for people to engage in poll watching when those calls use militarized language or suggest that the goal is to intimidate, exert control, or display power over election officials or voters.“
Dass zugrundeliegende Szenario betrifft aber auch die „klassischen“ Massenmedien, darauf weist eine lange Liste von Personen hin, die allesamt der American Political Science Association vorgestanden haben. Sie fordern in einem Meinungsbeitrag für den Guardian: „media should develop, before election day, panels of experts to oversee their projections and approve their announcements. Membership on these panels must be bipartisan, public and transparent. Each media outlet should sign a pledge not to declare any candidate a winner until its panel independently approves the projection.“ In die gleiche Richtung weist eine aktuelle Studie, die die Verbreitung von Desinformationen zum Thema „Wahlbetrug durch Briefwahl“ untersucht hat. Die in einem Projekt der Harvard-Universität entstandene Studie zeigt nämlich, dass die Plattformen hierbei eine sekundäre Rolle gegenüber rechtsgerichteten Medienakteuren wie Fox News oder Formaten des Talk Radio spielen.
Plattformisierung und US-Wahlkampf V
Dr. Erik Meyer ist Politikwissenschaftler und Fellow am Center for Advanced Internet Studies in Bochum. Dort bearbeitet er das Projekt „Die US-Präsidentschaftswahl 2020 im Kontext der Plattformisierung politischer Kommunikation: Algorithmische Öffentlichkeit und datenbasierte Kampagnenführung“. Einen ersten Einblick gibt sein Beitrag für die Bundeszentrale für politische Bildung. Aktuelle Aspekte dokumentiert er in einer Presse- und Social-Media-Schau und bespricht sie hier in weiteren Beiträgen bis zur Wahl.