Nicht nur Facebook beschäftigt sich aktuell mit der Moderation von Inhalten, die in problematischer Weise etwa auf den Wahlprozess bezogen sind. Auch andere Plattformen haben in diesem Bereich zuletzt ihre Regeln verschärft. So trafen Twitter und Google etwa Vorkehrungen gegen die parteiische Behauptung eines noch nicht offiziell verkündeten Wahlergebnisses. Google versprach ebenso, die Autocomplete-Funktion der Suchmaschine so zu präparieren, dass Vorschläge nicht zur Bevorteilung von Kandierenden oder Parteien verstanden werden können. Allerdings dokumentierte das Magazin Wired, dass die Suche nach dem Begriff „spenden“ in Verbindung mit Biden und Trump weiterhin qualitativ unterschiedliche Vorschläge hervorbringt: „Typing ‚donate‘ followed by the first few letters of ‚Trump,‘ or the candidate’s full name, prompted only the suggestion ‚donate trumpet.‘“ (Hinweis: Nur eine begrenzte Anzahl von Artikeln ist kostenfrei abrufbar.)
Eine Konsequenz aus der fortschreitenden Selbstregulierung in diesem Kontext ist freilich der Versuch interessierte Akteure, die „Informationsintermediäre“ zu umgehen. So figurieren mobile apps auf dem Smartphone auch als direkter Weg zur Wählerschaft. Über das entsprechende Instrument der Trump-Kampagne berichtet Sue Halpern im New Yorker (Hinweis: Nur eine begrenzte Anzahl von Artikeln ist kostenfrei abrufbar.). Dies betrifft beispielsweise die Botschaften, die nicht durch Faktenchecks und Warnhinweise behindert werden. Die Trump-App fungiert hier auch als Kanal einer alternativen Medienrealität: „The most obvious new feature on the 2020 app is a live news broadcast, carefully curated by the campaign to push the President’s talking points. It is hosted by a cast of campaign surrogates, including Lara Trump, Eric Trump’s wife, and Kimberly Guilfoyle, Donald Trump, Jr.,’s girlfriend and the campaign’s national finance chair. There are also channels aimed at particular demographic groups, among them Women for Trump, Black Voices for Trump, and Latinos for Trump. Though it is a crude approximation of a traditional news outlet, the Trump app enables users to stay fully sequestered within the fact-optional Trump universe.“
Und während die (meisten) Plattformen zwar eine zielgruppenspezifische Adressierung politischer Werbung ermöglichen, zielt die App nun darauf ab, diesen Datenschatz selbst zu heben, indem Interessierte Angaben über sich und andere Personen machen. Diese Vorgehensweise fungiert auch als Beispiel dafür, wie datenbasierte Kampagnenführung zur Überwachung tendiert. Dieser Aspekt der „voter surveillance“ spielt beim Pendant der Biden-Kampagne ebenfalls eine Rolle, berichtet das Online-Magazin Techcrunch: „The campaign app, Vote Joe, allows Biden supporters to encourage friends and family members to vote in the upcoming U.S. presidential election by uploading their phone’s contact lists to see if their friends and family members are registered to vote. The app uploads and matches the user’s contacts with voter data supplied from TargetSmart, a political marketing firm that claims to have files on more than 191 million Americans.“ Ruchbar wurde diese nicht unübliche Praxis nun durch eine aufgedeckte Sicherheitslücke, die externe Einsichten in die Datensammlung ermöglichte.
Die Entschlüsselung des Elektorats als Voraussetzung für eine Einflussnahme im Sinne der Kampagnen verfolgt auch ein anderes Instrument aus dem Werkzeugkasten von Acronym, über das wiederum Wired berichtet (Hinweis: Nur eine begrenzte Anzahl von Artikeln ist kostenfrei abrufbar.) Bei Acronym handelt es sich um eine Organisation, die den Wahlkampf der Demokraten mit digitalen Mitteln unterstützt. So wird etwa die Performance von Botschaften der Online-Kommunikation in einer spezifischen Zielgruppe eruiert und die werblichen Maßnahmen werden dann danach ausgerichtet. Dafür verantwortlich ist der ehemalige Facebook-Mitarbeiter James Barnes: „His team has two goals—to nudge voters away from Trump and to close what he politely calls the ‚enthusiasm gap‘ for Joe Biden. Using a custom-built tool dubbed Barometer, they micro-target ‚movable‘ voters on Facebook, run randomized tests to see what kind of ads work best, and then adjust them to taste.“ Der Glauben an die wahlentscheidende Wirkmächtigkeit solcher sozialtechnischer Prozeduren lässt sich allerdings auch als Symptom einer Krise der US-Demokratie deuten.
Plattformisierung und US-Wahlkampf III
Dr. Erik Meyer ist Politikwissenschaftler und Fellow am Center for Advanced Internet Studies in Bochum. Dort bearbeitet er das Projekt „Die US-Präsidentschaftswahl 2020 im Kontext der Plattformisierung politischer Kommunikation: Algorithmische Öffentlichkeit und datenbasierte Kampagnenführung“. Einen ersten Einblick gibt sein Beitrag für die Bundeszentrale für politische Bildung. Aktuelle Aspekte dokumentiert er in einer Presse- und Social-Media-Schau und bespricht sie hier in weiteren Beiträgen bis zur Wahl.