Autor: Lukas Boehnke
Dieser Text will versuchen, verschiedene Perspektiven gesellschaftswissenschaftlicher Theorie zum Populismus zusammenzufassen und Bezüge zu exemplarischen Antworten politischer Erwachsenenbildung herstellen. Ich führe dabei an Beispielen die These aus, dass und wie in der Praxis politischer Bildung eine theoretische Ursachendiskussion zum Populismus gewissermaßen implizit oder explizit mitgeführt (und mit geführt) wird. In den Fußnoten wird auf weiterführende Literatur, auf Vorträge und Quellen zum hier oft nur kurz angerissenen Inhalt hingewiesen.
Teil 2: Gesellschaftswissenschaftliche Ursachendiskussionen und politische Erwachsenenbildung
Entscheidend für die Frage nach gesellschaftlichen Handlungsmöglichkeiten ist die mittlerweile breit geführte und in wohl jeder wissenschaftlichen wie politischen Auseinandersetzung zum Populismus mitschwingende Ursachendiskussion. Dabei besteht eine Verbindung zwischen der theoretischen Begriffsbildung und der Diskussion von Ursachen sowie gesellschaftlichen Handlungsmöglichkeiten zum Populismus. Dies gilt gerade auch für politische Bildung, die in der Regel mehr sein will als eine sprichwörtliche „Feuerwehr“ im Einsatz gegen politische Gefahren: „Politische Bildung muss nicht Populismus bekämpfen, sondern seine Entstehungsursachen“.1 Folgend wird skizziert, wie verschiedene Hauptargumente aus der sozialwissenschaftlichen Ursachendiskussion in der Praxis politischer Erwachsenenbildung aufgegriffen werden. Als ‘politische Sozialwissenschaft’ kann politische Erwachsenenbildung besondere Beiträge zur demokratischen Verknüpfung von politischer Theorie und Praxis leisten und gesellschaftliche Entwicklungen in einer Beraterfunktion begleiten. Ohne eine formale Bindung an Lehrpläne können in diesem vielfältigen Bildungsbereich relativ leicht kritische, innovative, auch experimentelle Angebote politischer Bildung geschaffen werden. Die folgend beschriebenen Ansätze werden nach Themen geordnet: Zuerst geht es um demokratietheoretische Perspektiven auf die Veränderungen im demokratischen System in ‘Zeiten des Populismus’. Zweitens wird das Sozialwissenschaftliche Erklärungsmodell ‘Modernisierungsverlierer’ diskutiert, sowie im Anschluss sozialpsychologische Erklärungsansätze zum Populismus. Zum Schluss soll auf das Thema ‘Fake News und Fakten’ eingegangen werden. Zu allen Themen werden exemplarische Antworten der politischen Bildung skizziert. Die Zuordnung von Beispielen richtet sich nach deren vordergründiger Zielsetzung und ist nicht absolut zu sehen – es gibt viele Möglichkeiten, verschiedene Themen zu verknüpfen und das ist der grundsätzlich interdisziplinär ausgerichteten politischen Erwachsenenbildung üblich.
Demokratie in Bewegung
Mit Blick auf das demokratische System fassen manche politikwissenschaftliche und/oder demokratietheoretische Ansätze die Ursachen von Rechtspopulismus mit dem Verweis auf sogenannte ‘Repräsentationslücken’. Diese entstünden demnach, wenn zum Beispiel regierende Parteien (etwa in einer großen Koalition) zur politischen ‘Mitte’ drängen und die ‘Ränder’ nicht weiter beachten. Eine etwa seit den 1990er Jahren verstärkt diagnostizierte ‘Politikverdrossenheit’ in Kombination mit einem Verlust von Vertrauen in demokratische Institutionen, sowie eine sogenannte TINA-Politik2 werden in populistischen Mobilisierungen aufgegriffen, auch um daran demonstrativ Behauptungen über ‘alternative Fakten’ oder über eine ‘Alternative für Deutschland’ anzuknüpfen. Die Verknüpfung von politischer Enttäuschung mit der repräsentativen Demokratie wird besonders deutlich mit Blick auf die große Zahl populistisch mobilisierter ehemaliger Nichtwähler. Dies muss nicht nur als Gefahr interpretiert werden, sondern Populismus kann aus dieser Perspektive auch als Korrektiv in der Demokratie gedeutet und werden, durch das politische Probleme zumindest sichtbar werden.3 Die Diagnose einer Lücke impliziert ferner, dass etwas fehlt, was da sein sollte – die Argumentation wird auf diese Weise häufig benutzt, um die politisch Repräsentierenden kritisch aufzufordern, die Bevölkerung besser zu repräsentieren und die politische Bildung aufzufordern, die Bevölkerung einerseits empfänglicher für Repräsentation und andererseits offener für Partizipation an Repräsentation zu machen. Damit erscheint die repräsentative Demokratie letztlich nicht nur als Nullsummenspiel, in dem Repräsentation und Repräsentierte sich gegeneinander verschieben und im Verlauf immer wieder neu aufheben; sie erscheint auch leicht als unbedingt ‚gesetztes‘ und ‘alternativloses’ Maß aller politischen Dinge, hinter das interessenbezogene politische Ziele und Inhalte zurücktreten.
Politische Erwachsenenbildung hat viele Möglichkeiten, die politischen Prozesse und sozialen Dynamiken aufzuklären und die tatsächliche Vielfalt und Komplexität demokratischer Angebote und Erfahrungen sichtbar und transparent zu machen, kontroverse Inhalte zu benennen und einzuordnen und den Gegenstand letztlich zur Beurteilung durch das Publikum freizugeben.
Politische Erwachsenenbildung ist im Regelfall auf die freiwillige Partizipation der Akteure angewiesen und tritt dabei nicht zwingend neutral auf, sondern legt ihre Positionen und Ziele offen – einerseits gegenüber Rechtspopulismus als Bedrohung der demokratischen Gesellschaft.4 So kann Politische Bildung Populismus nicht nur ideologietheoretisch aufklären und die Prozesse offenlegen, die zum Erstarken von Populismus führen, sondern auch Konsequenzen diskutieren, etwa mit Blick auf Regierungsstrategien des Populismus und solidarische Alternativen.5 Es gibt aber darüber hinaus verschiedene Stoßrichtungen und Elemente, die häufig aufgegriffen werden: Als allgemeine Demokratiebildung ist politische Erwachsenenbildung ein Diskussionsforum für eine Vielfalt von Positionen und Anschauungen. Sie kann mit sozialen Techniken die Kommunikation und Vernetzung in einer pluralistischen Demokratie zur allgemeinen Entwicklung von politischem Orientierungswissen und Verständnis für demokratische Prozesse fördern, sowie die allgemeine Partizipation und Bindung der Bürger daran. Außerdem kann politische Bildung auch politische Arbeit aus der Zivilgesellschaft beraten oder in diese eingebunden sein. Soziale Bewegungen betreiben meistens auch eine informelle oder non-formale politische Jugend- und Erwachsenenbildung, in der Ziele und Strategien vermittelt und weiterentwickelt werden. Umgekehrt thematisierte und förderte die politische Erwachsenenbildung soziale Bewegungen prinzipiell als demokratische Partizipation. Der Aufstieg des Rechtspopulismus mit PEGIDA in Deutschland warf dann bald auch Fragen auf über das Verhältnis von Politischer Bildung und dieser Form einer ‚Bürgerbewegung‘; kontrovers diskutiert wurde und wird zum Beispiel die Einladung von PEGIDA-Vertreter*innen in die sächsische Landeszentrale für politische Bildung.6 Gleichzeitig wurden und werden Netzwerke zivilgesellschaftlicher Akteure und Bündnisse ‘gegen rechts’ im Zuge des Erstarkens von Rechtspopulismus nicht nur politisch stärker, sondern auch von Institutionen politischer Bildung mit bestimmten Kriterien stärker angesprochen und gefördert. Weitere relevante Fragen ergeben sich aus der Diskussion, welche Formate, Themen und Methoden für politische Bildung in der Migrationsgesellschaft angezeigt sind.
Eine aktuelle Tendenz ist die Diskussion von Visionen und Perspektiven für die nahe Zukunft der Demokratie, auch um der politischen Verschiebung nach rechts mittelbar entgegenzuwirken. Einerseits können Narrative gesellschaftliche Verfassungen und politische Problemlösungen oder innovative Organisationsformen von Demokratie diskutiert werden, die der Entwicklung von Rechtspopulismus vorbeugen – implizit kann das Publikum auf diese Weise auch etwas über die Ursachen von Populismus oder Extremismus in der Gegenwartsgesellschaft lernen, aus der heraus die Visionen ja entstehen. Zweitens soll auf diese Weise wieder verstärkt politisches Engagement nicht bloß ‘gegen rechts’, sondern für demokratische Ziele und für demokratische Veränderung von Gesellschaft kultiviert und eingeübt werden.7
Ferner kann politische Bildung das Entstehen von ‚Repräsentationslücken‘ auch aufgreifen und versuchen, eine kritische Reflexion struktureller Ursachen im demokratischen System zu ermöglichen. So kann die Entstehung von Ressentiments auch mit systematisch produzierten Enttäuschungen der repräsentativen Demokratie erklärt werden.8 Diese Prozesse können zum Beispiel als ‘post-demokratische Verhältnisse’ thematisiert werden, in denen die Demokratie zunehmend ökonomisiert wurde und in denen politischer Erfolg oft davon abhängt, wie viel Geld ein Kandidat oder eine Kandidatin für eine Kampagne aufbringen kann und politische Entscheidungen im konkreten häufig von partikularen Interessen mittels Lobbyismus beeinflusst werden.9
Die populistische Moralisierung dieser Verhältnisse als Verrat oder Ausverkauf des ‘wahren Volkes’ durch eine ‘böse Elite’ mag ideologisch und unsachlich sein, aber sie findet leicht Bestätigung in Alltagserfahrungen, die nicht ohne weiteres zurückzuweisen sind, sondern ggfs. auf einen sozialwissenschaftlichen ‘wahren’ und/oder demokratisch ‘legitimen’ Kern geprüft und dazu aus verschiedenen Perspektiven diskutiert werden können. Wenn politische Erwachsenenbildung aber wirklich wirksam sein will, muss sie womöglich selbst den ‘Salto Mortale’ wagen und versuchen, die scheinbar unvermeidbare ‘Konfirmation der Konfirmierten’ zu überwinden und Menschen zu erreichen, die von sich aus nicht da hinkommen, wo politische Bildung üblicherweise stattfindet. Eine Verstärkung aufsuchender und niedrigschwelliger Bildungsarbeit an ungewöhnlichen Orten könnte dafür eine Lösung sein. 10 Gleichzeitig muss demokratische politische Bildung auch bereit sein, ‘rote Linien’ zu ziehen in der Auseinandersetzung bzw. Begegnung mit menschen- und demokratiefeindlichen Positionen, um selbst kein Forum für diese zu bieten oder entsprechend instrumentalisiert zu werden, sowohl in einzelnen Veranstaltungen, als auch auf institutioneller Ebene.11
‘Abgehängte Modernisierungsverlierer’ als Anhängerschaft des Populismus?
Häufig ist im Kontext Populismus von ‚Modernisierungsverlierern‘ oder ‘Abgehängten’ die Rede. Gemeint ist damit, dass rechtspopulistische Parteien vor allem von weniger Gebildeten mit vergleichsweise geringeren Einkommen gewählt werden, die eher in der Peripherie als in den ökonomischen Zentren ihr Auskommen suchen (müssen) und auf Nachfrage manchmal äußern, dass sie eine populistische Kraft vor allem aus Protest gegen die anderen Parteien gewählt haben. Nun gibt es viele Möglichkeiten, politischen Protest auszudrücken und es gibt auch eine gesellschaftliche Tendenz, aber sicher keine Notwendigkeit, aus einer wahrgenommenen eigenen Benachteiligung und/oder individuellen Krisenlage zum Schluss zu kommen, das ‘gute Volk’ werde von einer ‘bösen Elite’ ungerecht behandelt. Diese Tendenz muss beachtet werden, aber sie ist nicht aus der materiellen Lage motiviert. Gleichzeitig stoßen rechtspopulistische Angebote nämlich auch verstärkt im sogenannten ‚bürgerlichen Lager‘, z. B. bei materiell gutsituierten Konservativen auf große Nachfrage, sowie in bestimmten Millieus und Berufsgruppen. So sind konservative Milieus populistisch eher ansprechbar, aber auch Menschen mit klassisch-modernen (noch) gut bezahlten Berufen, zum Beispiel in der industriellen Produktion.12
Der klassische und mit vielen Studien untermauerte sozioökonomische Erklärungsansatz, dass Armut/Ungleichheit zu antidemokratischen Tendenzen führe, wird empirisch herausgefordert. In der sozialwissenschaftlichen Ursachendiskussion ist daher als zweiter wichtiger Faktor für das Erstarken von Populismus ein sogenannter ‚cultural backlash‘ etabliert. Häufig wird dabei auf einen subjektiv ‚zu schnell‘ erlebten Wertewandel und/oder auf erlebte und vorgestellte Kulturkonflikte hingewiesen, die mit Sympathie für rechtspopulistische Angebote zusammenfallen.
Den genannten Gruppen wurde in den westlichen Gesellschaften der klassischen Moderne ein Großteil auch des ideellen Lohns in der veröffentlichten Meinung und besondere Anerkennung seitens der Politik zuteil. Tatsächlich ist die Geschichte westlich-liberaler Demokratien etwa seit Mitte des 20. Jahrhunderts von umfassenden gesellschaftspolitischen Flexibilisierungen und Liberalisierungen geprägt. Die politischen Strukturen und Repräsentationsangebote der großen Parteien wurden zugunsten der Entwicklung von Dienstleistungsgewerbe, Ökonomisierung und kulturelle Öffnung der Integration/Inklusion von vormals marginalisierten Gruppen (z.B. Frauen, Migrant*innen) umgestaltet. Dabei haben zahlreiche Umwertungen in der politischen Kultur der Anerkennung stattgefunden – ehemals marginalisierte Gruppen treten heute stärker in den gesellschaftlichen Leitbildern auf. Zeitdiagnostisch formuliert erleben wir womöglich die Entwicklung der industriellen Moderne hin zur post-industriellen Spätmoderne, mit ihrer von alten und auch neuen Konflikten und Kulturalisierungen des Sozialen gezeichneten Gesellschaft.13
Aus dem Gefühl, ungerecht behandelt und abgehängt zu werden, kann immer auch das Bedürfnis erwachsen, sich analytisch Rechenschaft über die gesellschaftlichen Verhältnisse abzulegen, in die der/die Einzelne gestellt ist. Politische Erwachsenenbildung kann versuchen, Lern-, Erfahrungs- und Handlungsmöglichkeiten zu schaffen, in denen diese Verhältnisse transparent und kritisch dargestellt werden, ohne dabei populistische Abstraktionen und Themenverfehlungen selbst zu moralisieren. Interessant ist dabei die Frage, wie eine relevante Zielgruppe in transformativen Ansätzen ein individuelles Lerninteresse entwickeln kann.
Aufgrund der politischen, ökonomischen, kulturellen Situation in Verbindung mit einer emotionalen und ideologischen Gemengelage ist es wichtig und schwierig, im Umgang mit Populismus über die allseits ohnehin betriebene ‚Konfirmation der Konfirmierten‘ hinaus individuelle Lernprozesse zu ermöglichen und zum Beispiel auf starke und harte Wahrnehmungskonstruktionen und Gefühlslagen von ‚relativer Deprivation‘ vorbereitet zu sein. Die Aufklärung der Verhältnisse und Formen von Herrschaft, Ausbeutung, Armut und Ungleichheit der Gegenwart sind dabei ein wichtiges Thema für politische Bildung, gerade auch in der Auseinandersetzung mit kulturalisierten und kulturellen Konflikten zum Thema Migration. Weil politische Erwachsenenbildner*innen nicht nur ‚politische Sozialwissenschaftler‘, sondern im Idealfall auch soetwas wie „Experten für den Umgang mit Menschen“14 sind, sollte dem Gefühl der ungerechtfertigten Benachteiligung ‚ein Stück weit‘ abstrakt vom Inhalt und besonders auf der Beziehungsebene mit Akzeptanz, Verständnis und Sympathie begegnet werden, ohne eine intellektuelle politische Distanz und die inhaltliche Kritik aufzugeben. Der Umgang mit Emotionen und Affekten ist an diesem Punkt eine besondere Herausforderung für politische Bildung und wurde zum Beispiel auf dem Bundeskongress politische Bildung 2019 „Was uns bewegt“ thematisiert.15
Individuelle Praktiken und Urteile können methodisch und auf verschiedenen Ebenen adressiert werden. Gerade die niedrigschwellige Verknüpfung sinnlich-emotionaler Erfahrungen der Interaktion (zum Beispiel im Rollenspiel) mit einer analytisch-theoretischen Distanz (zum Beispiel beim Erzählen oder in der Analyse von Rollen und Identitätskonstruktionen) kann eine produktive, möglichenfalls emanzipative Reflexion eigener Interessen, Gewohnheiten, Überzeugungen und Gefühle in ihrem gesellschaftlichen und situativen Zusammenhang anstoßen.
Sozialpsychologie und Stammtischparolen
Sozialpsychologische Langzeitstudien zum Autoritarismus oder Gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit wurden oben bereits zitiert und zeigen, wie es in Deutschland seit Jahren und Jahrzehnten ein weitgehend gleichbleibendes Niveau von Zustimmungswerten für Positionen gibt, die – latent oder manifest – bestimmte Menschengruppen abwerten und ausgrenzen, sowie zugleich nach einer ‚harten Hand des Staates‘ verlangen, die im Zweifelsfall auch nicht durch demokratische Prozessordnungen und Prinzipien behindert werden soll. Autoritäre politischen Einstellungen bei etwa einem Viertel bis einem Drittel der Bundesbürger waren und sind also offenbar eine Normalität in dieser liberalen und demokratisch verfassten Gesellschaft, und zwar auch ohne rechtsradikale Repräsentanz auf den großen politischen Bühnen – letztere gibt es in Deutschland erst seit gut fünf Jahren, nicht aber den verbreiteten Nationalismus, Rassismus und Sozialdarwinismus. Autoritäre Einstellungsmuster bilden eine wichtige und ansprechbare Grundlage der gegenwärtigen rechtspopulistischen Mobilisierungserfolge und werden von vielen Menschen als unangenehmes Problem im Alltag wahrgenommen, mit dem sie umgehen lernen wollen und sich zum Beispiel deshalb einen Kurs der politischen Erwachsenenbildung zum Thema Populismus in Alltagssituationen besuchen. In der Bildungspraxis der Volkshochschulen verbirgt sich hinter einer Veranstaltung zum Thema Populismus unter Titeln wie „Wie reagiere ich auf Populismus?“ (VHS Berlin Steglitz-Zehlendorf) oder „Parolen Paroli bieten“ oft ein Argumentationstraining gegen Stammtischparolen.16 Der sozialpsychologische und kommunikationswissenschaftliche Ansatz von Klaus-Peter Hufer (2000) war ursprünglich nicht explizit auf Populismus zugeschnitten, lässt sich aber leicht darauf anwenden und fokussiert vor allem folgende praxisnahe Lernziele:
- Analyse- und Urteilskompetenz: Dekonstruktion von Stereotypen, Pauschalisierungen, Vorurteilen.
- Handlungskompetenz: Kommunikation und Rhetorik im Umgang mit entsprechenden Sprecher*innen
Ein Angebot zu „Stammtischparolen“ wird von Lehrenden allein oder häufig in Kombination mit verschiedenen sozial- und politikwissenschaftlichen Ansätzen und Theorien zum (Rechts-)Populismus, sozialen Bewegungen, Kommunikation und Interaktion kombiniert und angewendet. Von Hufer heute selbst mit dem Zusatz „Populismus aus der Mitte der Gesellschaft“ angeboten, wurde das Konzept auch als „Steinbruch“ – also zur Verwendung von Teilen für eigene Zwecke – freigegeben und wird von vielen Praktiker*innen unterschiedlich angewandt. Populismus oder Stammtischparolen können so in Veranstaltungen beispielsweise als Strategie oder als Ideologie oder als logische Verknüpfung von beidem besprochen und bearbeitet werden, mit je unterschiedlichen Implikationen für die konkreten Lerninhalte und auch für die Interaktion in der Veranstaltung.
Teil 3: Populismus und politische Bildung – Fakten, Fake News, Medienkompetenz
- Simon Franzmann – „Politische Bildung muss nicht Populismus bekämpfen, sondern seine Entstehungsursachen“ https://transfer-politische-bildung.de/mitteilung/artikel/politische-bildung-muss-nicht-populismus-bekaempfen-sondern-seine-entstehungsursachen-interv/ [↩]
- TINA = There Is No Alternative https://www.politik-kommunikation.de/tags/tina [↩]
- Frank Decker / Marcel Lewandowsky – Populismus https://www.bpb.de/41192/was-ist-rechtspopulismus?p=all [↩]
- Als Randnotiz kann hier kurz die vergleichsweise viel kleinere und offenere Debatte zum Linkspopulismus erwähnt werden, der im Diskurs der politischen Bildung zwar auch oft kritisch, aber nur in Ausnahmefällen als eine ‘Bedrohung der Demokratie’ begriffen wird. [↩]
- Siehe Veranstaltung der VHS Bremen: Rechtspopulismus in Europa und solidarische Alternativen: https://www.vhs-bremen.de/veranstaltungen/bremen/13-bremer-spiele-tage/kurs/Rechtspopulismus+in+Europa+und+solidarische+Alternativen/nr/201M10-030/bereich/details/ [↩]
- Christian Demuth – Politische Bildung nach PEGIDA https://library.fes.de/pdf-files/dialog/12324-20160209.pdf [↩]
- Zum Beispiel: Bayrischer Forschungsverbund Zukunft für Demokratie: https://www.fordemocracy.de [↩]
- Zum weiterlesen: Dirk Jörke und Veith Selk: Populismus in Zeiten des postdemokratischen Liberalismus. Für eine Theorie des Populismus ohne Moralisierung: https://www.soziopolis.de/beobachten/politik/artikel/populismus-in-zeiten-des-postdemokratischen-liberalismus/ [↩]
- Zum weiterhören auf Englisch: Colin Crouch – Postdemokratie nach den Krisen: https://www.youtube.com/watch?v=T9lir14D2h0&t=2869s [↩]
- Tim Engarter über „Demokratiebildung in Zeiten des Populismus“: https://www.youtube.com/watch?v=OnUKqDMjlWw [↩]
- zum weiterlesen: Helmut Bremer – „Wie umgehen mit „rechts“? WBV Journal 2/2018 https://www.wbv.de/artikel/WBDIE1802W032 [↩]
- Zur Einführung empfiehlt sich das Blog https://soziologieblog.hypotheses.org/10270
Zum weiterlesen: Ronald Ingleheart und Pippa Norris: – „Trump, Brexit, and the rise of Populism: economic have-nots and cultural backlash“ https://www.google.com/url?sa=t&rct=j&q=&esrc=s&source=web&cd=2&ved=2ahUKEwjR8OWtkPTnAhWmTxUIHYkuD7oQFjABegQIARAB&url=https%3A%2F%2Fresearch.hks.harvard.edu%2Fpublications%2FgetFile.aspx%3FId%3D1401&usg=AOvVaw2jrQf66ImrODcwlSAsjp74
Martin Schröder (SOEP-Studie): „AFD-Wähler sind nicht abgehängt, sondern ausländerfeindlich“ https://www.diw.de/documents/publikationen/73/diw_01.c.595120.de/diw_sp0975.pdf [↩] - Andreas Reckwitz: Zwischen Hyperkultur und Kulturessentialismus: https://soziopolis.de/beobachten/kultur/artikel/zwischen-hyperkultur-und-kulturessenzialismus/ Andreas Reckwitz – die Spätmoderne und die Drei-Klassen-Gesellschaft. https://www.youtube.com/watch?v=_PSRIXR_Ygs [↩]
- Zum Weiterlesen: Johannes-Herwig-Lempp „Nazis raus! Haut ab!“? zum systemischen Umgang mit Menschen und Rechten. https://www.herwig-lempp.de/daten/ZSTB-2_17-Herwig-Lempp-Nazis-raus.pdf [↩]
- https://www.bpb.de/269250/14-bundeskongress-politische-bildung-2019-was-uns-bewegt-emotionen-in-politik-und-gesellschaft [↩]
- Klaus-Peter Hufer im Gespräch mit Studio 47 https://www.youtube.com/watch?v=FjmRcFVZcyQ
Ein weiteres Interview gibt es vom Netzwerk politische Bildung Bayern: https://www.argumentationstraining-gegen-stammtischparolen.de/interview
Zusammengefasst wird der Ansatz von Hufer in einer Rezension von Dr. Ralf Frankenberger: https://www.socialnet.de/rezensionen/22298.php
Weitere Ansätze zum Thema Vorurteile werden von den großen Gewerkschaften verfolgt, hier gibt es weiterführende Materialien zum Thema, die die Themen Soziale Deprivation und Vorurteile verknüpfen:
Bildungsbaustein Rechtspopulismus und Vorurteile von Ver.Di NRW: https://nrw.verdi.de/++co++3ca945f0-190a-11e7-957e-525400ed87ba IG Metall, Bildungszentrum Sprockhövel: Rechtspopulismus entgegentreten. Strategien zum Umgang mit AFD und Co: https://www.isf-muenchen.de/pdf/Rechtspopulismus_online.pdf [↩]