Eigentlich würde sich an dieser Stelle als neuer Beitrag die Dokumentation zur Veranstaltung „Rechtspopulismus und die Verantwortung der Medien“ finden. Die aktuellen Entwicklungen der Corona-Pandemie haben jedoch auch beim Grimme-Institut zu Veranstaltungsabsagen und Terminverschiebungen geführt.
Am 13. März dieses Jahres wollten wir uns mit der Verantwortung von Medienschaffenden und der Frage, wie Journalist(inn)en ihrer Aufgabe der kritischen Berichterstattung auch über die Themen nachkommen, die in der öffentlichen Auseinandersetzung oft rechtspopulistisch aufgeladen werden, beschäftigen. Darüber hinaus sollte der Frage nachgegangen werden, welchen Beitrag die Erwachsenenbildung leisten kann, um rechtspopulistische Kommunikationsstrategien erkennen und bewerten zu können. Dies muss nun noch warten. Wir hoffen jedoch, dass wir ab Herbst erneut in die Planung einsteigen können.
Was jedoch nicht warten muss, sind Beiträge zum Jahresthema „Rechtspopulismus“ des Grimme-Instituts. Denn Fremdenhass, Diskriminierung und rechtsextreme Übergriffe werden nicht weniger, auch wenn sich ein neues Problemfeld auftut, das den Großteil der öffentlichen Aufmerksamkeit auf sich zieht. Die aktuelle Coronakrise löst verständlicherweise weltweit große Sorge aus. Regierungen, Gesundheitssysteme und die Wirtschaft sind alarmiert und nicht zuletzt jeder einzelne Bürger. Was das Virus mittel- und langfristig für gesellschaftliche Folgen hat, ist aktuell nicht absehbar. An vielen Stellen zeigen sich Fürsorge und Zusammenhalt innerhalb der Bevölkerungen der betroffenen Länder, gleichzeitig erleben Menschen mit asiatischem Aussehen täglich Diskriminierung und weltweit schließen Länder ihre Grenzen.
In der Vorbereitung der Dortmunder Veranstaltung wurde ein umfangreicher Text zu den Themen Rechtspopulismus und Politische Bildung verfasst, der in den kommenden Wochen, in einzelne Kapitel aufgeteilt, erscheinen wird. Autor ist der Kulturwissenschaftler Lukas Boehnke. Er ist Lehrkraft im Fachbereich Soziale Arbeit, Medien und Kultur der Hochschule Merseburg und hat das Grimme-Institut bei der Vorbereitung der Dortmunder Veranstaltung unterstützt. Eingerahmt und ergänzt werden die Kapitel durch das Grimme-Lab-Team mithilfe von Erläuterungen, praktischen Beispielen aus der Erwachsenenbildung sowie Experteninterviews.
In dem vorliegenden Beitrag beschäftigen wir uns mit der Einordnung der Begrifflichkeiten „Rechtspopulismus“ und „Politische Bildung“ .
(Rechts)Populismus
„Oft hört man die Begriffe ‚Rechtspopulismus‘ oder auch ‚Linkspopulismus‘. Darin steckt der Begriff ‚Populismus‘. Populisten sind Menschen, die Ängste und Vorurteile schüren. Sie behaupten, dass es zwei Gruppen in der Gesellschaft gibt, nämlich ‚das einfache Volk‘ und ‚die da oben‘. Sie wollen nicht einsehen, dass es in unseren modernen Gesellschaften viele verschiedene Bevölkerungsgruppen gibt und dass es viele Unterschiede, aber eben auch viele Gemeinsamkeiten zwischen den Menschen gibt.
Populisten behaupten von sich, dass allein sie für das ganze Volk sprechen können und auch nur sie das Volk vertreten. Oft kümmern sie sich gar nicht darum, wie kompliziert manche Dinge sind, sondern sie tun so, als gebe es selbst für sehr schwierige Probleme immer ganz einfache Antworten und Lösungen. Damit wollen sie schnell die Gunst der Menschen gewinnen. Gerade bei schwierigen Problemen ist es aber wichtig, sich genau zu informieren, zu beraten und demokratische Lösungen zu erarbeiten.“
Quelle: BpB/Lexika/Populismus
Schaut man sich weltweit in der politischen Führungsriege um, bekommt man den Eindruck, dass immer mehr Populisten in immer mehr Ländern an der Regierung sind. Trump, Erdogan, Johnson, Bolsonaro, Orban, um nur ein paar Namen zu nennen, poltern durch die politische Landschaft, verkünden stark vereinfachende Botschaften oder auch eigene Wahrheiten, diskriminieren und empfinden sich selbst als unantastbar. Dies hat für die jeweilige Bevölkerung massive Auswirkungen, aber auch, wie bspw. der Brexit zeigt, solche auf das internationale politische Geschehen. Längst gibt es Berichte und Analysen, welche negativen Folgen für die Bevölkerung Populisten in der Regierung von Demokratien und autoritär geführten Staaten in Zeiten einer Pandemie haben. Die Verfälschung von Zahlen zur Verbreitung des Virus, das Herunterspielen der Gefährlichkeit des Virus sowie die Ignoranz gerade den ärmsten und schwächsten Bevölkerungsschichten gegenüber stellen eine gefährliche Mischung dar. Erst kürzlich hat Reporter ohne Grenzen Deutschland den aktuellen Länderbericht 2020 veröffentlicht, der deutlich darauf hinweist, dass die aufklärende und unabhängige Arbeit von Journalistinnen und Journalisten in der Coronakrise besonders erschwert wird und die Bedrohung der Pressefreiheit in der aktuellen Situation an vielen Stellen zunimmt.
Ein aktuelles Beispiel für eine tätliche Bedrohung von Journalistinnen und Journalisten in Deutschland ist der Angriff auf das ZDFheute-Team, das am Rande einer Demonstration in Berlin körperlich attackiert wurde. Der Übergriff fand am 1. Mai in Berlin am Rand einer sogenannten „Hygienedemo“ gegen die aktuellen Maßnahmen zur Eindämmung des Corona-Virus statt. Die Zusammensetzung der Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Demonstration war sehr durchmischt. Beobachter sprechen sowohl von Rechts- als auch Linksradikalen sowie von Impfgegnern, Verschwörungstheoretikern und sonstigen Demonstranten. Diese Art von Demonstrationen findet aktuell immer wieder und in unterschiedlichen Städten statt. Regelmäßig sieht man dort auch Teilnehmer, die sich der Initiative „Widerstand 2020“ zuordnen. Der BR beschreibt diese in einem Online-Beitrag folgendermaßen: „Sie träumt davon, die Politik aufzumischen und möchte ein Sammelbecken für all diejenigen sein, die unzufrieden sind mit der Corona-Politik.“ Diese Beschreibung lässt ungute Erinnerungen an die Entstehungszeit der AfD aufkommen, zumal diese sich aktuell als Kritiker der Maßnahmen gegen das Virus versucht.
In der Studie „Hass und Angriffe auf Medienschaffende“ der Uni Bielefeld (Mai 2020) wurde unter anderem danach gefragt, ob es aus Sicht der Medienschaffenden Themen gibt, die besonders häufig Angriffe auf Journalisten zur Folge haben:
„Als ‚Hot Topics‘ benennen die Befragten insbesondere die Themen ‚Migration‘, ‚AfD‘ und ‚Flüchtlinge‘. Der überwiegende Teil der von Hass Betroffenen ordnet die Anfeindungen gegen Journalist*innen einem rechten politischen Spektrum zu (82,4 %). Knapp zwei Drittel aller Befragten (63,9 %) sind der Ansicht, dass Angriffe auf Medienschaffende durch politische Akteure in Deutschland insgesamt zunehmen. Sie benennen dabei als Aggressor explizit die AfD.“
Die Antonio Amadeo Stiftung definiert den Begriff „Rechtspopulismus“ im Rahmen seines Online-Angebotes Belltower News folgendermaßen: „‘RECHTSpopulismus‘ bezeichnet hier eine politische Strategie, die autoritäre Vorstellungen vertritt und verbreitete rassistische Vorurteile ausnutzt und verstärkt. Rechtspopulist*innen machen gern eine ‚korrupte Elite‘ für Probleme des ‚einfachen Volkes‘ verantwortlich. Mit ‚Volk‘ meinen sie dabei implizit oder explizit eine ethnisch reine Gemeinschaft.“
Eine stabile Demokratie braucht aufgeklärte und selbstständige Bürgerinnen und Bürger, die aktiv an politischen Prozessen teilhaben und Gefährdungen der Demokratie durch politische und gesellschaftliche Verfassungsgegner erkennen. Freie und unabhängige Pressearbeit sowie eben solche Bildungsträger sind wichtige Grundlagen für die Förderung des Verständnisses von politischen Aussagen und deren Einordnung, um dahinterliegende Interessen und Vereinfachungen erkennen zu können. Rassismus und Ausgrenzung in Politik und Gesellschaft stellen eine andauernde Bedrohung des demokratischen Miteinanders dar.
Zeitzeugen des zweiten Weltkrieges etwa, die die Grausamkeit von Verfolgung und Konzentrationslagern schildern können und somit dem unvorstellbarem Grauen Gesichter und Stimmen geben, werden bald nicht mehr da sein. Umso wichtiger sind Aufklärung und Wissensvermittlung. Die Notwendigkeit Politischer Bildung ist somit unbestritten. Sie umfasst ein weites Feld des Lehrens und Lernens und soll im Folgenden definiert werden.
Politische Bildung
Die Bundeszentrale für politische Bildung BpB bietet für Grundschulen sowie für die Sekundarstufe I und II Lehr- und Lernmaterialien an. Zum Thema Wahl bietet der Wahl-O-Mat ein Frage-und-Antwort-Tool, das zeigt, welche zu einer Wahl zugelassene Partei der eigenen politischen Position am nächsten steht.
Politische Bildung findet sowohl in der Schule, in außerschulischer Jugendarbeit als auch in Angeboten der Erwachsenenbildung statt. Im schulischen Bereich in Deutschland werden insbesondere in den Fächern der Gesellschaftslehre (Erdkunde, Geschichte, Politik) der weiterführenden Schulen Kindern und Jugendlichen die Funktionsweisen verschiedener Staatssysteme erklärt und natürlich besonders die Demokratie in Deutschland und deren Genese. Im besten Fall ermöglichen Schulen ihren Schülerinnen und Schülern zudem die aktive Mitgestaltung an demokratischen Prozessen, bspw. bei der Planung und Umsetzung von Entscheidungen im Schulalltag, und die Schulen nehmen aktiv an Initiativen wie „Schule ohne Rassismus“ teil. Klassensprecher-, Schulsprecher- und Kurssprecherwahlen werden regelmäßig durchgeführt und sind ab der 5. Klasse an weiterführenden Schulen häufig Anlass, um über die Abläufe und Grundlagen einer geheimen Wahl zu sprechen.
„Politische Bildung in einem weiten Sinne ist ein Sammelbegriff, der alle Prozesse umfasst, die auf jeden Menschen als Mitglied einer sozialen und politischen Ordnung über unterschiedliche Gruppen, Organisationen, Institutionen und Medien politisch prägend einwirken. PB in einem engeren Sinne ist die Sammelbezeichnung für alle bewusst geplanten und organisierten, kontinuierlichen und zielgerichteten Maßnahmen von Bildungseinrichtungen, um Jugendliche und Erwachsene mit den zur Teilnahme am politischen und gesellschaftlichen Leben notwendigen Voraussetzungen auszustatten.“
Quelle: BpB/Lexika/Politische Bildung
Die aktuelle Studie „Wer hat, dem wird gegeben.“ — Politische Bildung an Schulen der Friedrich-Ebert-Stiftung (2019) weist darauf hin, dass Gymnasien im Bereich der Politischen Bildung besser aufgestellt sind als andere weiterführende Schulformen. Das Wissen und der Stand der Aufklärung bei jungen Menschen scheinen somit nach dem Schulabschluss im Bereich der Politischen Bildung unterschiedlich zu sein. Dieser Umstand ist sehr bedauerlich, da Schulen die Bildungseinrichtungen sind, die eine verpflichtende Teilnahme bedeuten. Junge Erwachsene, die nach der Schule keine entsprechenden Fächer studieren oder politische Themen nicht in ihrer Ausbildung streifen, kommen unter Umständen im Bildungsbereich nicht mehr mit dieser Thematik in Berührung. Während also per Schulpflicht Jugendliche zu einer Teilnahme am Politik-Unterricht verpflichtet sind, müssen Träger der außerschulischen Bildung ihre Teilnehmerinnen und Teilnehmer für ihre politischen Angebote gewinnen. Eine schwierige Angelegenheit, zumal wenn es um die Gewinnung von Teilnehmerinnen und Teilnehmern geht, die wenig Wissen in diesem Bereich und unter Umständen auch kein großes Interesse haben.
Der Themenbereich der Politischen Bildung ist ein weites Feld und sowohl im Kindes-/Jugendalter als auch im Erwachsenenalter relevant. Anbieter Politischer Bildung reichen von der Institution Schule bis hin zu Trägern der Erwachsenenbildung. Um für die Teilnahme an politischen Prozessen in einer Demokratie qualifiziert zu sein und die Herausforderungen einer solchen Verfassung gleichzeitig als Chance wahrnehmen zu können, bedarf es an Wissen und Verständnis. Dieses hilft, (rechts)populistische Aussagen zu enttarnen und zu bewerten und damit einen Beitrag zum Schutz der Demokratie zu leisten. Für die Politische Bildung stellt der (Rechts)Populismus eine große Herausforderung dar. Wo Verantwortlichkeiten, Chancen, aber auch Grenzen liegen, soll in den folgenden Beiträgen behandelt werden.
Weiterführende Linktipps:
Dossier „Rechtspopulismus“
Das Dossier der BpB erklärt, was Rechtspopulismus ist, an welcher Sprache man Rechtspopulisten erkennt und für welche Ideen sie streiten.
Thema „Rechtspopulismus“
Der Themenschwerpunkt ist Teil der Website Belltower News der Antonio Amadeo Stiftung. Die Redaktion bietet Nachrichten, Analysen, Recherchen, Reportagen, Hintergrundberichte und Interviews für eine demokratische engagierte Zivilgesellschaft.
Dossier „Rechtsextremismus“
Das Dossier der BpB betrachtet nach dem Auffliegen der Terrorgruppe „Nationalsozialistischer Untergrund“ (NSU) rechtsextreme Strukturen in Deutschland und zeigt auf, dass es nicht nur im Untergrund oder am Rand der Gesellschaft rechtsextreme Einstellungen wie Rassismus, Antisemitismus, Geschichtsrevisionismus und den Glauben an einen starken Führer gibt.
Dossier „Politische Bildung“
Das Dossier der BpB bietet eine Einführung in das Themenfeld der Politischen Bildung, stellt Themenbereiche und Akteure vor und verknüpft sie mit der Demokratie.