Um die enge Bindung des Publikums an konservative Medien herbeizuführen und zu halten, war neben dem Vorwurf der Voreingenommenheit sämtlicher anderer Medien allerdings noch ein weiterer notwendig: Konservative mussten sich als Außenseiter der Gesellschaft fühlen. „… the first generation of conservative media activists developed an oppositional identity that enabled conservatives to identify as outsiders“. (Nicole Hemmer, Messengers of the Right. Conservative Media and the Transformation of American Politics. University of Pennsylvania Press 2016 , S. xiv)
Nicole Hemmer spricht von einem Elitenpopulismus, wenn sie dieses Phänomen beschreibt. Dieses Konstrukt erlaubte es den Aktivisten der ersten Generation, trotz ihres Zugangs zu Quellen ökonomischer, sozialer und politischer Macht als Vertreter einer unterdrückten Minderheit zu sprechen. Dezidiert populistisch wurde die „Elite“ der konservativen Medienschaffenden erst in den 1960er Jahren, als ihr Präsidentschaftskandidat Barry Goldwater – auf den sie große Hoffnung gesetzt und dessen Kampagne sie ausdrücklich unterstützt hatten – vehement gescheitert war. „Populism offered a way forward because it allowed them to build a bridge between conservative elites and ordinary Americans based on their shared eyperience of exclusion.“ (NH, S. xiv)
Das Gefühl des Ausgeschlossenseins basierte durchaus auch auf Fakten. Da einige ihrer politischen Positionen in den 1950er und 1960 Jahren als zu radikal empfunden wurden, verloren einige Konservative ihre Ämter, gegen andere wurde ermittelt oder sie wurden öffentlich entweder verlacht oder ignoriert.
„For people used to being gatekeepers, this exclusion was doubly frustrating. Seeking to influence both voters and politicians, pressured by both audiences and donors, media activists pointed to their education and connections as evidence of the injustice of their exclusion.“
NH, S. xv
Die Empfindung, von etablierten Medien nicht ausreichend gewürdigt zu werden, setzt sich unter den Konservativen bis auf den heutigen Tag fort. Heute heißen diese „Enemy of the People“. Mittlerweile gilt Ähnliches für einige Betreiber sozialer Netzwerke: “’The President’s strange Social Media Summit … amplifies the unsubstantiated rhetoric of anti-conservative bias from social media companies in the run-up to the 2020 elections. This is both alarming and dangerous, as a potential foreshadowing of the scale political untruths might take during election season.’” (Sabine Dolan, RSF North America interim Executive Director, 12. Juli 2019)
Die konservativen Medienaktivisten, um deren Rolle es in „Messengers of the Right“ im Wesentlichen geht, verfügten über ausgezeichnete politische und gesellschaftliche Verbindungen und konnten dementsprechend auch immer wieder die notwendigen Mittel für ihre publizistischen Unternehmungen aufbringen. Im Unterschied zu anderen Gruppen, die sich aus tatsächlichen oder vermeintlichen Gründen als Außenseiter, unterdrückt oder unberücksichtigt fühl(t)en, waren diese Medienaktivisten also in der Lage, gegen die Verhältnisse zu arbeiten, die ihnen nicht den notwendigen Raum gaben.
Was einige von ihnen in den 1950er Jahren verbunden hatte, war erlebte Enttäuschung mit etablierten Parteien, Institutionen oder Medienhäusern. Ihre beruflichen Wege begannen im „Establishment“, sie fanden dort allerdings keine zufriedenstellende geistige Heimat.
Der konservative Radiomacher Clarence Manion, ehemals ein Dekan einer rechtswissenschaftlichen Fakultät, war 1953 / 1954 für einige Monate der Vorsitzende einer Regierungskommission unter Präsident Eisenhower. In seinen Bestrebungen, den Einfluss der Bundesregierung zu verringern, verlor Manion allerdings aus dem Blick, dass es sich bei einigen der Initiativen, für die er sich engagierte, um solche handelte, denen der Präsident dezidiert ablehnend gegenüberstand (NH, S. 4f.). Und Mitte Februar 1954 verlangte Eisenhower dann auch seinen Rücktritt.
„After decades of effort, Manion had made his way into the ranks of America’s political elite – only to find himself forced back out because of his controversial policy stances. He was not the only one. Nearly every conservative media activist in the 1940s and 1950s had a similar story to tell.“
(NH, S. 5)
So seien konservative Gründer von Zeitungen und Magazinen vorher etwa bei der Washington Post gewesen, Autoren von National Review waren Ivy-League-Absolventen, die in Parteien, Regierungseinrichtungen und im universitären Bereich gearbeitet hatten, ein weiterer bekannter Radiomoderator, Dan Smoot, war beim FBI. Einige von ihnen waren ursprünglich Anhänger eines progressiveren Kurses; alle von ihnen waren enttäuscht vom Kurs, den die US-amerikanische Politik vor dem Zweiten Weltkrieg mit den Programmen des New Deal und unmittelbar nach dem Ende des Kriegs einschlug. Was sie wollten, war: weniger zentrale Regierungsmacht; weniger Sozialstaat; weniger Einmischung in Wirtschaft und Finanzwesen; weniger Aufmerksamkeit für die Interessen anderer Länder; mehr Konzentration auf „America First“; und keinerlei diplomatische Beziehungen zu irgendeinem Staat, der kommunistisch genannt werden könnte. (Das „America First Committee“ etwa wurde 1940 gegründet, um gegen einen Kriegseintritt der Vereinigten Staaten zu lobbyieren.)
Selbstverständlich gab es zu jeder Zeit auch Proteste gegen und Ablehnung von den Maßnahmen (und Auswirkungen) des New Deal, sowohl in Radioprogrammen als auch in der Printpresse. Bevor der Vorwurf des liberal bias aufkam, gab es in den 1930er und 1940er Jahren die Klage über die konservative Presse: Der Pressezar William Hearst war nicht der einzige der großen Medienunternehmer, der öffentlich seine Unterstützung für die Republikanische Partei äußerte.
Schwerer noch als der New Deal wog allerdings eine Bewegung, die sich gegen eine US-Beteiligung am Zweiten Weltkrieg engagierte (S. 17) und auch dem Konzept von Allianzen (im Sinne von Organisationen wie dem Völkerbund oder später den Vereinten Nationen) ablehnend gegenüberstand.
Eine ähnliche Entwicklung ist derzeit wieder aktuell: „America First“ ist ein Prinzip, das eine multilaterale Einbindung der USA in politische und wirtschaftliche Partnerschaften zurückfahren will; egal ob dies Handelsbeziehungen, Verteidigungsbündnisse oder Klimakonferenzen bedeutet.
Die Konservativen fühlten sich – sowohl beim Kriegseintritt der USA als auch in der Nachkriegszeit – getäuscht von „ihrer“ Partei. Die Republikaner schwächten in den Augen der konservativen Medienaktivisten nicht mehr die eigentlichen Ideale dieser Partei. Und von der etablierten Presse hielten sie überhaupt nichts. Die oben erwähnte anti-interventionistische Organisation America First Committee „überwachte“ die Medien und behauptete, dass die Meinungen einer Minderheit (denn eine solche repräsentierte die Gruppe) systematisch ausgeblendet werde (NH, S.20). Darüber hinaus verband einige der Aktivisten die Sorge um die Verfassung bzw. um die in ihr festgeschriebenen Grundrechte der US-amerikanischen Bevölkerung. Sie sahen Gefahren in einer Bundesregierung, die ihren Einfluss stetig ausbaute, und in internationalen Bündnissen, die diese Rechte womöglich einschränken würden.