Die konservative Medienszene in den Vereinigten Staaten, die nicht nur konservatives Talk Radio, Sender wie Fox News oder Nachrichtenportale wie Breitbart News, sondern auch etablierte Zeitungen wie das Wallstreet Journal, die Chicago Tribune, The Washington Times und die New York Post umfasst, hat ihren Ursprung in der Mitte des vergangenen Jahrhunderts.
Einen Überblick zu konservativen Medien haben unter anderem auch Outline oder die Washington Post veröffentlicht. (Nur eine begrenzte Anzahl an Artikeln der WP ist monatlich kostenfrei abrufbar.)
In einer im Mai 2019 von der kommerziellen Bildungsplattform Thoughtco veröffentlichten Top Ten der informativsten konservativen Print- und Online-Publikationen finden sich unter anderen Human Events (1944) und National Review (1955).
Gründer und Kolumnisten dieser beiden Zeitungen stehen – neben einigen weiteren Publizisten – im Mittelpunkt der Untersuchung von Nicole Hemmer. Sie ist Assistant Professor of Presidential Studies am Miller Center / University of Virginia und hat die Entstehungsgeschichte der konservativen Medienlandschaft in den Vereinigten Staaten untersucht.
Einige Hinweise zur Entwicklung der US-amerikanischen Journalismusstile vom ausgehenden 19. bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts haben wir hier zusammengestellt.
In ihrem Buch „Messengers of the Right“ untersucht sie, wie sich konservative amerikanische Publizisten insbesondere seit den Fünfzigerjahren politisch positioniert, die Nähe sowohl zu konservativen Wählern wie auch zur Politik gesucht und sich somit ganz bewusst vom damals noch vorherrschenden Ideal der Objektivität im politischen Nachrichtenjournalismus abgewendet haben.
Abschied von Objektivität
Die Objektivität der damaligen Berichterstattung hieß, sich auf die Präsentation der Fakten zu beschränken. Meinungen, Auslegungen und Kommentare sollten ausschließlich in entsprechenden Kolumnen veröffentlicht werden. Eine Berichterstattung, die „fair and balanced“ im Sinne des Gegenüberstellens kontroverser politischer Haltung war, war in der eigentlichen Berichterstattung nicht vorgesehen. Und wenn kontroverse politische Haltungen thematisiert wurden, sah die 1949 in Kraft getretene „Fairness Doctrine“ vor, den Vertretern der Parteien in gleichem Maße Raum für die Darlegung ihrer Argumente zu geben. Diese Doktrin empfanden Konservative allerdings nicht als ausreichend, um eine Berichterstattung zu gewährleisten, in der sie ausreichend berücksichtigt wurden.
Überzeugt davon, dass in den Vereinigten Staaten Regierung, Medien und Bildung fest in liberaler Hand seien und dass konservative Haltungen bewusst ignoriert und dadurch unterdrückt würden, hatten sich Anfang der 50er Jahre Menschen zusammengetan, um den Werten, die sie der Mehrheit der stillschweigenden Amerikaner unterstellten, eine öffentliche Plattform zu errichten.
Der Anlass für eine dezidiert konservative Positionierung der damaligen Medienmacher, um die es in Nicole Hemmers Buch geht, war ihre tiefsitzende Auffassung, dass zwar eine Mehrheit der US-Bürger konservativ sei bzw. an konservativen Werte festhalte; dass aber sämtliche staatlichen Organe sowie die Bildungslandschaft und die Medien parteiisch seien und ausschließlich liberale Haltungen förderten.
Entsprechend sei bereits die Objektivität der etablierten Medien liberal geprägt und unterdrücke konservative Gegenargumente.
“‘The side we represent controls most of the wealth in this country’, he [Henry Regnery, ein konservativer Verleger und einer der Hauptprotagonisten in Nicole Hemmers Buch] told those gathered. ‘The ideas and traditions we believe in are those which most Americans instinctively believe in also.’ Why then was liberalism ascendant and conservativism relegated to the fringes? Because, Regnery argued, the left controlled institutions: the media, the universities, the foreign policy establishment. Until the right had a ‘counterintelligence unit’ that could fight back, conservatives would remain a group of elites raging against a system that by all rights they should control.”
(Nicole Hemmer, Messengers of the Right. Conservative Media and the Transformation of American Politics. University of Pennsylvania Press 2016, S. 28.)
Diese Einschätzung gilt auch heute noch: Im Juli 2019 lud US-Präsident Trump zu einem Social Media Summit ins Weiße Haus, um über die „Zensur-Maßnahmen“ von Plattformen wie Twitter zu sprechen. „Trump wetterte gegen das ‚korrupte Establishment‘ und die Medien. ‚Unsere Stimme ist lauter als jede andere, aber wir werden nicht fair behandelt‘, sagte er und warf Twitter indirekt auch vor, die Zahl seiner Follower und der Likes für seine Tweets zu drücken.“ (Der Spiegel, 12.7.2019) Im Vorfeld hatte das Weiße Haus Bürger aufgefordert, ihre Erfahrungen mit „Online-Zensur“ zu schildern. Der Vorwurf von Demokraten: „Tech Companies“ sollten vor den Wahlen 2020 unter Druck gesetzt werden. Replik von der anderen Seite: „’All we want is a fair fight,’” sagte der Abgeordete Gaetz, der Twitter vorgeworfen hat, den Zugang zu den Accounts von Konservativen zu beschränken. (Washington Post, 9.7.2019)
Der Gegenentwurf konservativer Publizisten sah explizit nicht vor, „fair and balanced“ zu berichten (was übrigens bis 2017 das Motto von Fox News war, bevor es durch „Most Watched, Most Trusted” ersetzt wurde) .
„Beginning in the late 1940s and 1950s, activists working in mediaemerged as leaders of the conservative movement. Not only did they start an array media enterprises – publishing houses, radio programs, magazines, book clubs, television shows – they built the movement. They coordinated rallies, founded organizations, ran political campaigns, and mobilized voters.“
(NH, S. x)
Obwohl diese „media activists“, wie Nicole Hemmer sie nennt, unterschiedlicher Auffassung über geeignete Taktiken und Strategien waren, einte sie doch die Überzeugung, dass ein politischer Wandel nicht nur durch Ideen herbeigeführt werden könne, sondern über die Formulierung und Verbreitung ebendieser Ideen in „ideological media sources“ (NH, S. x).
Für konservative Medienaktivisten war das Konzept der liberalen Voreingenommenheit (liberal bias) unstrittig. Sie glaubten daran, dass Institutionen bereits im Kern ideologisch seien und es Objektivität deshalb nicht geben könne. Diese sei eine Maske, die Mainstreammedien aufsetzten, um ihre eigenen ideologischen Vorhaben zu verstecken. Im Unterschied zu Mit-Konservativen, die für die etablierten Publikationen und Sender arbeiteten, glaubten die Medienaktivisten an die Notwendigkeit, eigene, unabhängige Verlage, Radiosender und Magazine zu gründen. So begann der Wandel von Berichterstattung hin zu Mobilisierung, „transforming audiences into activists and activists into a reliable voting base“ (NH, S. xi):
„They taught a generation of conservatives to reject nonconservative media and to seek out right-wing news sources“.
(NH, S. xiii)