Am 26. Mai 2019 dürfen alle Wahlberechtigten in Deutschland für das Europäische Parlament ihre Stimme abgeben. Eine rege Beteiligung wäre wünschenswert, da nur dann Vielfalt abgebildet wird und eine hohe Wahlbeteiligung zudem ein positives Zeichen bezüglich Interesse und grundsätzlicher Zustimmung zur EU wäre.
Wer wählt, nimmt seine Zukunft in die eigene Hand. Das gilt auch für die Europawahl.
An der Europawahl teilnehmen, sprich wählen darf in Deutschland, wer 18 Jahre ist, die Wohnsitzbedingungen erfüllt, nicht vom Wahlrecht ausgeschlossen und im Wählerverzeichnis der Heimatgemeinde eingetragen ist. Man kann per Briefwahl – auch wenn man im Ausland ist – oder im Wahllokal wählen.
Der Wahlvorgang sollte für alle Wahlberechtigten möglichst barrierearm sein. Dazu gehören eine gute Organsisation, das heißt die Wahlunterlagen gehen rechtzeitig zu, eine Briefwahl ist möglich, das Wahllokal ist gut erreichbar und begehbar/befahrbar. Diese Aspekte erhalten für Wählerinnen und Wähler dann eine besonders hohe Relevanz, wenn köperliche und/oder psychische Einschränkungen vorliegen.
Bundesverfassungsgericht: Wahlrecht benachteiligt Behinderte
tagesschau am 21.02.2019
Der Ausschluss vom Wahlrecht ist ein tiefgehender Eingriff in das Leben eines Menschen. Die Bedeutung eines Wahlrechtsentzugs ist jedoch vielen nicht bewusst, da es als selbstverständlich angesehen wird, an gesellschaftlichen Prozessen teilzuhaben. Neben der Alltäglichkeit der Wahlbeteiligung haben nicht alle potentiellen Wähler Interesse an einer Teilnahme am Wahlvorgang. Politisches Desinteresse oder das Empfinden, dass die eigene Stimme nichts bewirkt, halten Menschen von der Wahlurne fern. Trotzdem besteht grundsätzlich die Möglichkeit zur Teilhabe und man hat in diesem Fall tatsächlich die Wahl.
In der Europäischen Union leben ca. 80 Millionen Menschen mit einer Behinderung (März 2019/lt. European Union Agency for Fundamental Rights). Die meisten Menschen mit Lernschwierigkeiten, Sinnesbeeinträchtigungen und/oder chronischen Erkrankungen sowie Demenz in Deutschland sind wahlberechtigt.
„Das Verfassungsgericht hat der Regierung endlich eine Klatsche erteilt. Wer einen Vormund hat, darf nicht von Wahlen ausgeschlossen werden. Trotzdem sieht es so aus, als würde die Regierung immer noch auf Zeit spielen.“„Urteil zum Wahlrechtsausschluss: Schluss mit Hinhaltetaktik!“
1. März 2019
Kommentar Raul Krauthausen
Aktivist/Gründer Sozialhelden e.V.
Vom Wahlrecht ausgeschlossen waren jedoch bis zum Anfang diesen Jahres Menschen mit einer vollumfänglichen Betreuung. Dies hat seit Jahren zu Diskussionen und Protest geführt. Vor den Europawahlen bekam der gesellschaftliche und politische Protest nun seitens des Bundesverfassungsgerichtes Recht. Im Januar 2019 entschied es die Neuregelung des Wahlrechtes für Menschen mit Betreuung.
Bündnis 90/Die Grünen
Normenkontrollklage wegen Wahlrechtsausschluss
Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, das Wahlrecht für Menschen mit vollumfänglicher Betreuung neu zu regeln, sah eine Umsetzung zunächst zum 1. Juli 2019 vor, also deutlich nach der Europawahl. Dies führte zu erneuten Protesten in der politischen und gesellschaftlichen Landschaft, sodass das Bundesverfassungsgericht auf der Grundlage eines Antrages zur einstweiligen Anordnung von Linken, Bündnis90/Die Grünen und FDP Mitte April 2019 neu verhandelte und die Wahlrechtsausschlüsse bereits für die anstehende Europawahl für Betreute in allen Angelegenheiten aufhob.
Die Aufhebung des Wahlrechtsausschlusses betrifft aktuell mehr als 81.000 Menschen unter Vollbetreuung. Der Bundesverband der Berufsbetreuerinnen (BdB) begrüßte in einer Pressemeldung die Entscheidung und bittet aufgrund der zeitlichen Nähe des Urteils zur anstehenden Europwahl um rasche praktische Hilfen zur Umsetzung der Wahlbeteiligung. Diese umfassen, dass Betreuerinnen und Betreuer sich um einen raschen Eintrag ihrer Klienten in die Wählerverzeichnisse kümmern und Wahlleiter die Betroffenen von sich aus in die Wahlverzeichnisse aufnehmen.
Weitere Informationen zum Thema Wahlen und Barrierefreiheit finden Sie im Beitrag „Wahlen inlusiv“.
Teilhabe passiert nicht automatisch mit der Erteilung eines Rechtes, sondern mithilfe dessen praktischer Umsetzung und Förderung. Barrierefreiheit umfasst entsprechend neben räumlicher Zugänglichkeit und Handhabbarkeit von Materialien auch die gesellschaftliche Unterstützung bei der Umsetzung von Teilhabe. Die Erteilung des Wahlrechts ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg in eine inklusive Gesellschaft. Die Europawahl am 26. Mai wird zeigen, wie einfach oder schwierig die Umsetzung der politischen Teilhabe für die Neuwählerinnen und Neuwähler ist.