Bitte stellen Sie sich und Ihre Funktion als Vorsitzende des Netzwerkes Weltreporter.net vor.
Ich berichte seit fast 30 Jahren aus und über Afrika. Seit Herbst vergangenen Jahres bin ich Vorsitzende der Weltreporter. Wir sind als Verein organisiert, fünf Mitglieder bilden den Vorstand. Die Funktion entspricht dem eines Vorstands in jedem beliebigen anderen Verein: Wir führen die Geschäfte und vertreten die Weltreporter nach außen. Das tun wir in enger Rückkopplung mit dem Netzwerk, über wichtige Fragen lassen wir abstimmen. In gewisser Weise sehe ich mich als „Dienstleisterin“ des Netzwerkes: Jemand muss bestimmte Dinge erledigen und Entscheidungen fällen. Weil ich fand, dass ich nicht nur vom Einsatz der anderen profitieren kann, sondern auch mal meine Zeit einbringen muss, habe ich mich im vergangenen Jahr als Vorsitzende zur Wahl gestellt und bin gewählt worden. Das freut und ehrt mich zugleich: Wir sind ein Netzwerk aus großartigen, sehr engagierten und namhaften Kollegen.
Wie funktioniert das Netzwerk, und was sind die Zielsetzungen der Weltreporter?
Wir sind das größte Netzwerk freier deutschsprachiger Auslandskorrespondenten. Wir haben inzwischen fast 50 Mitglieder und berichten aus mehr als 160 Ländern. Wir haben unterschiedliche Schwerpunkte, seien es Wirtschaft, Politik, Kultur oder Technik. Wir verstehen uns als Plattform, die Redaktionen in Kontakt mit Korrespondenten im Ausland bringt und umgekehrt. Dabei sind wir nur Vermittler und Ansprechpartner, die Details handelt jedes Mitglied für sich direkt mit den Redaktionen aus. Hilfreich ist allerdings, dass wir Honorare und Arbeitsbedingungen untereinander abgleichen können. Zu wissen, was anderen Kollegen oder bei anderen Medien gezahlt wird, kann die eigene Verhandlungsposition stärken. Wir sind einander auch in anderen Fragen Ratgeber, beispielsweise wenn es um rechtliche Aspekte oder um technische Neuerungen geht. Und manchmal nutzen wir das Netzwerk für interne medienpolitische Diskussionen oder Debatten um die Ethik des Journalismus. In Zeiten, in denen in allen Sendern und Verlagen gespart wird und viele Journalisten sich weitere Standbeine suchen müssen, sind solche Debatten hilfreich. Ich finde das jedenfalls ausgesprochen wichtig, um meinen Standpunkt justieren und meine Haltung zu Fragen von journalistischer Qualität und Ethik immer wieder neu schärfen zu können. Was uns alle eint, ist unser hoher Anspruch an die Qualität von Journalismus im Allgemeinen und der Auslandsberichterstattung im Besonderen. Wir grenzen uns bewusst von den „Fallschirmkorrespondenten“ ab, die nur im Krisenfall kurz in eine Region reisen und dann berichten. Jeder von uns ist seit Jahren an seinem Standort zu Hause und bestens vernetzt. Das hilft uns, die Geschichten zu entdecken, die hinter den Nachrichten stehen.
Wer kann Teil des Netzwerkes werden?
Wer sich bei uns bewerben möchte, sollte schon mindestens neun Monate an einem Standort im Ausland hauptberuflich als Journalist arbeiten. Wir berichten hauptsächlich für deutschsprachige Medien aus einem oder mehreren Ländern. Wir achten auf ein ausgewogenes Verhältnis zwischen den Regionen, um nicht ein Netzwerk mit Schwerpunkten in bestimmten Weltgegenden zu werden. Das heißt, dass wir vorrangig dort Mitglieder aufnehmen, wo wir noch keine haben. Wir erbitten von Interessenten Arbeitsproben, auf deren Grundlage wir im Netzwerk über die Aufnahme diskutieren. Dabei geht es vor allem um die Qualität der Beiträge. Uns ist aber auch wichtig, dass sich möglichst alle Mitglieder für das Netzwerk engagieren. Wenn wir den Eindruck haben, dass jemand durch und durch Einzelkämpfer ist und das Netzwerk nur nutzen will, um neue Aufträge zu generieren, spricht das gegen eine Aufnahme.
Wer nutzt die Expertise der teilnehmenden Journalisten?
Zu unseren Kunden gehören alle namhaften deutschen Print-, Rundfunk- und Online-Medien, aber auch Buchverlage. Viele unserer Mitglieder arbeiten außerdem als Referenten und Moderatoren, in dieser Funktion beispielsweise für politische oder soziale Stiftungen.
Kürzlich sind zum Angebot der Weltreporter die Podcast-Reihe und das Printmagazin „Rekorder“ hinzugekommen. Gibt es weitere geplante Neuerungen, über die Sie gern berichten möchten?
Wir arbeiten an unserem nächsten Buch, es wird im September erscheinen. Diesmal geht es um Mauern weltweit. Um Mauern, die Länder trennen. Aber auch um Mauern, die andere Grenzen ziehen: die beispielsweise Reiche von Armen trennen, oder Gewinner von Verlierern. Abschottung ist ja gerade weltweit en vogue, laut der Universität Québec gab es 2015 auf dem Globus schon 65 Grenzzäune und –mauern. Unser Mitglied Marc Engelhardt ist wie bei unseren letzten Büchern der Herausgeber. Ich finde, dass wir bei den Büchern unsere Stärken besonders gut nutzen können: die Tatsache, dass wir in jeder Weltregion vertreten sind, und die langjährige Erfahrung vor Ort, die in unsere Texte einfließt.
Was wünschen Sie sich für Ihre journalistische Arbeit und für das Netzwerk Weltreporter.net für die Zukunft?
Mehr Bewusstsein dafür, dass journalistische Qualität mit Zeit, und damit mit Geld zu tun hat. Die – angeblich zweifelhafte – Glaubwürdigkeit „der Medien“ ist ein beliebtes Thema geworden. Wobei ich mich immer schon dagegen wehre, dass alles unter „die Medien“ zusammengefasst wird, der Boulevard auf einer Stufe mit anspruchsvollen und hintergründigen Publikationen. Aber während viele Menschen über die angeblich dürftige Qualität „der Medien“ schimpfen, halten sie gleichzeitig eine kostenlose „Grundversorgung“ im Internet für selbstverständlich. Seriöse Recherchen und fundierte Berichte sind davon aber nicht zu bezahlen, im Inland nicht – und erst Recht nicht im Ausland.
WELTREPORTER.NET ist ein globales Korrespondentennetz für deutschsprachige Medien. Diese Website präsentiert einen Ausschnitt unserer Arbeit.
Mail: cvd@weltreporter.net
Internet: http://www.weltreporter.net