Im Vorfeld der US-Wahl sprach Donald Trump immer wieder davon, dass die Wahlen manipuliert seien, um seinen Sieg zu verhindern, z. B. durch manipulierte Wahlcomputer. Das Projekt Electionland der NGO ProPublica zur US-Wahl konnte zeigen, dass ein solcher groß angelegter Wahlbetrug nicht stattfand, auch nicht digital, da über Social Media verbreitete Berichte über Wahlautomaten, die Stimmen falsch registrieren, in Wirklichkeit Nutzerfehler waren. Wofür sich aber Beweise sammelten und was selbst Donald Trump noch vor seiner Inauguration anerkannte, ist die Tatsache, dass russische Hacker während des Wahlkampfs Daten vom Democratic National Committee (DNC) erbeuteten. Die Veröffentlichung der gestohlenen E-Mails kurz vor der Wahl rückte Trumps Konkurrentin in ein schlechtes Licht und leistete Fake News über sie und ihre Kampagne Vorschub. Hacks, Leaks und Fakes ereigneten sich 2017 auch während der Präsidentschaftswahl in Frankreich. Grund genug, die Ereignisse noch einmal Revue passieren zu lassen und zu fragen, ob Hacks, Leaks, Fakes und Co. auch auf die Bundestagswahl Einfluss nehmen werden.
Hacks
Anders als in den USA wird in Deutschland kein E-Voting verwendet. Wählen bedeutet also immer noch, mit einem Stift zwei Kreuze auf ein Blatt Papier zu machen. Deswegen schien es auch, als ob die Gefahr der Manipulation über „gehackte“ Wahlcomputer, die falsche Ergebnisse registrieren, die Bundestagswahl nicht betreffen könnte. Wie ein Informatikstudent Anfang September 2017 jedoch zeigte, sind auch bei der Bundestagswahl Computer im Einsatz und für die Datenübertragung zur Verwaltung der ausgezählten Ergebnisse wird ein Programm verwendet, das vor Hacks kaum geschützt ist, nicht zuletzt, weil mit Passwörtern fahrlässig umgegangen wurde. Daraufhin stellte die Herstellerfirma mehrere Updates zur Verfügung. Wie der Chaos Computer Club allerdings feststellte, haben auch diese Mängel. Daraufhin ’spendete‘ der CCC ein Update, das die Software noch rechtzeitig vor der Bundestagswahl sicher machen soll.
Gründe für und gegen die Einführung von E-Voting in Deutschland hat der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages zusammengetragen.
„Am Abend des 24. September wird Deutschland wohl wieder etwas analoger werden“, resümiert Kai Biermann in der ZEIT, denn aufgrund der entdeckten Schwachstellen werden die von Hand gezählten Ergebnisse am Wahlabend nun auch zusätzlich per Telefon übermittelt. Auch wenn die Bundestagswahl also nicht direkt gehackt werden kann, könnten divergierende Endergebnisse die Öffentlichkeit doch verunsichern und Zweifel am Ergebnis säen.
Leaks
Kurz vor der Präsidentschaftswahl in den USA gelangten durch Hacks erbeutete, teils private, E-Mails von Hillary Clintons Wahlkampfmanager John Podesta über die Plattform Wiki-Leaks an die Öffentlichkeit. Ein einfacher Phishing-Angriff ermöglichte den russischen Hackern, hinter denen der russische Nachrichtendienst GRU vermutet wird, Zugriff auf Podestas E-Mails. Attacken wie diese wurden hundertfach an die DNC verschickt.
Mehr zu den rechtlichen Rahmenbedingungen des medialen Wahlkampfs im Artikel „Wahlkampf in den Medien“.
In Frankreich wurden anderthalb Tage vor der letzten Runde der Präsidentschaftswahl durch einen Hack erbeutete E-Mails geleakt, die Emanuel Macron und seiner Partei „En Marche“ schaden sollten. Große Wellen schlugen die Leaks nicht. Erstens war die Menge zu groß, um die Dateien so kurz vor der Wahl auf relevantes Material zu prüfen und aufzuarbeiten. Zweitens kamen sie unmittelbar vor dem offiziellen Ende des Wahlkampfs auf. In Frankreich herrscht am Tag vor der Wahl mediale „Ruhe“. Kandidaten dürfen keine Interviews mehr geben, Medien keine neuen Umfragen, Werbung oder Informationen zu den Kandidaten veröffentlichen. Zusätzlich untersagte die französische Wahlbehörde die Berichterstattung über die Leaks mit dem Hinweis, dass die Weiterverbreitung der womöglich gefälschten Daten strafbar sei.
Es sei mit Blick auf die deutsche Bundestagswahl nicht die Frage, ob, sondern wann die in den Hacks gestohlenen Daten veröffentlicht werden, erklärt Cyber-Sicherheitsexpertin Laura Galante, die Hackerangriffe auf die US-Demokraten untersuchte. (Quelle: „Infokrieg im Netz“, Das Erste, 31.08.2017.)
Auch in Deutschland besteht die Gefahr, dass kurz vor der Wahl erbeutete Daten veröffentlicht werden, deren Inhalte Einfluss auf die Wahl nehmen könnten, denn im Mai 2015 wurde das Rechnernetz des Bundestages gehackt und zwar von derselben russischen Hackergruppe, die für die Veröffentlichung von Podestas E-Mail verantwortlich war. Auch ein Jahr später gab es erneute Phishing-Angriffe auf deutsche Politiker(innen) und deren Büros. Wie die umfangreiche Recherche der ZEIT zum Bundestagshack zeigt, kann nicht geklärt werden, welche Daten genau gestohlen wurden. Es ist daher auch nicht abzuschätzen, welche Informationen aus den etwa 8 Millionen Seiten Papier entsprechenden gestohlenen Daten veröffentlicht werden könnten. Bisher ist nichts davon an die Öffentlichkeit gedrungen.
Aber selbst wenn es zu Veröffentlichungen kommt, bleibt die Frage, ob ein solcher Leak Wähler(innen) im gleichen Maße verunsichert, wie es in den USA geschehen ist. Wie der Faktenfinder der Tagesschau und Buzzfeed u. a. mit Blick auf den ausbleibenden Sturm um die Macron-Leaks resümieren, wird die Auswirkung eines solchen Leaks in Deutschland auch davon abhängen, wie die Medien reagieren.
Fakes
Mehr zum Thema und zur Definition von Fake News im Artikel „Informationsblasen im Internet“.
Selbst wenn geleakte Daten echt sind, müssen die daraus gezogenen Schlüsse nicht unbedingt der Wahrheit entsprechen. In den USA behaupteten online-organisierte Trump-Anhänger und Verschwörungstheoretiker, in den geleakten E-Mails von John Podesta fänden sich Hinweise auf einen Kinderporno-Ring, den er mit Hillary Clinton gemeinsam aus einer Pizzeria heraus führen solle. #Pizzagate war geboren und wurde über Fake News-Seiten öffentlich weiterverbreitet. Diese „Fake News“ sucht nicht nur aufgrund ihrer Absurdität ihresgleichen, sondern auch wegen ihrer Auswirkungen. Schließlich stürmte ein bewaffneter Mann die besagte Pizzeria, um selbst im Fall Pizzagate zu ermitteln und schoss dabei um sich, ohne aber Personen zu verletzen.
In welchem Umfang deutsche Nachrichtenseiten auf Facebook Meldungen verbreiten, die falsch oder irreführend sind, hat Vice Motherboard stichprobenhaft untersucht.
Alexander Sängerlaub, Projektleiter von „Measuring Fake News“ der Stiftung Neue Verantwortung, glaubt allerdings in einem Gastartikel für Netzpolitik.org nicht, dass wir in Deutschland in Sachen Fake News bereits „amerikanische Verhältnisse“ haben. Denn die klassischen und öffentlich-rechtlichen Medien genießen mehr Vertrauen und Bürger(innen) beziehen ihre politischen Informationen seltener aus sozialen Netzwerken, auf denen sich die Fake News verbreiten. Auch steht in Frage, wie stark sich Wähler(innen) tatsächlich von Fake News in ihrer Entscheidung beeinflussen lassen. Die Behauptungen über Emmanuel Macrons angebliche Homosexualität verbreiteten sich im Netz zwar rasend, verfehlten aber doch ihr Ziel, dem Kandidaten nachhaltig zu schaden. Die Analyse des Projektes der Stiftung Neue Verantwortung zeigt (S. 11) allerdings, dass es Aufklärungsangebote schwer haben, die gleiche Reichweite wie die Fakes zu erreichen. Fake News können also ebenso zumindest für Verunsicherung sorgen.
Bots
Bots und noch mehr potenziale digitale Einflussnehmer auf die Bundestagswahlen diskutierten Experten auf der re: publica 2017
Während des Wahlkampfs in den USA waren sowohl auf Donald Trumps als auch Hillary Clintons Seite Bots am Werk, die Links, Meinungen und Hashtags automatisch weiterverbreiteten, um die mediale Agenda zu bestimmen. Das Projekt Botswatch schätzt den Anteil von Tweets, die über Bots versendet wurden, in der Debatte um die Bundestagswahl auf Twitter derzeit auf etwa 10 Prozent. Wie eine Datenanalyse des Tagesspiegels zeigt, handelt es sich auch bei menschlichen Meinungsmachern der AfD auf Twitter, wie dem Account „Balleryna“, um „Scheinriesen“, da ihre Followerschaft zu großen Teilen aus Bots besteht.
Auch hier ist vor einfachen Schlüssen zu warnen: Nachrichten eines Bots online zu sehen, führt Menschen nicht automatisch zu einer bestimmten Wahlentscheidung. Das Problem liegt viel mehr darin, dass das Bild der öffentlichen Meinung durch die Masse an Tweets zu einem Thema, durch eine „Fake News“ oder durch gefälschte Follower einer Gruppierung verzerrt wird. Bots können also bestimmte Ansichten in den medialen Vordergrund drängen, indem sie höhere Relevanz suggerieren.
Fazit
Wie die Wahlkämpfe in den USA und in Frankreich gezeigt haben, sind die Phänomene Hacks, Leaks, Fakes und Bots miteinander verknüpft und bedingen einander. Vor dem Leak kommt die Erbeutung von Daten durch einen Hack. Ein Leak kann aber auch mit Fakes durchsetzt sein. Mit der künstlichen Aufmerksamkeit, die Botnetze im Internet erzeugen, können sich dann Leaks und Fakes weiterverbreiten und das Meinungsbild beeinflussen. Wie stark dies geschieht, hängt auch davon ab, wie Medien mit diesen Phänomenen umgehen, wie viel „echte“ Aufmerksamkeit sie Fakes schenken, wie akribisch sie die Ursprünge einer Information nachverfolgen und prüfen und wie umfangreich sie Nutzer(innen) über die Phänomene Hacks, Leaks, Fakes und Bots aufklären. Anti-Fake-News-Projekte, Datenrecherchen und investigativer Journalismus tragen zu einer solchen Aufklärung bei. Es ist zu hoffen, dass diese Angebote vor der Wahl auch die Aufmerksamkeit erhalten, die ihnen gebührt.
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