Wie entstehen Ideen und Bilder von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, transgeschlechtlichen, intergeschlechtlichen und queeren Menschen (LSBTIQ*) in unseren Köpfen? Was bilden sie ab? Eine Realität oder ein Klischee? Eine Erfahrung oder ein Vorurteil? – Die Kampagne „anders und gleich – Nur Respekt Wirkt“ leistet Aufklärungs- und Antidiskriminierungsarbeit in Nordrhein-Westfalen und bietet u.a. Workshops zur vorurteilsfreien Berichterstattung über LSBTIQ* an.
Wir haben ein Interview mit Frau Frank geführt. Darin berichtet sie von der Kampagne und dem Umgang der Medien mit LSBTIQ*.
„Das ist eine von vielen unserer Aufgaben“, erklärt Projektleiterin Caroline Frank, „aber auch eine sehr wichtige, denn mediale Bilder und Geschichten sind für viele der erste und manchmal auch einzige Zugang zu Informationen über LSBTIQ*.
Was in den Medien abgebildet und berichtet wird, spielt also eine große Rolle für die Wissensbildung und die Bebilderung in unseren Köpfen.“
Die Kampagne „anders und gleich – Nur Respekt Wirkt“ ist eine Akzeptanz- und Gleichstellungskampagne für NRW. Sie sorgt für (mediale) Sichtbarkeit von LSBTIQ* in der Allgemeinbevölkerung, unterstützt die Selbsthilfe-Arbeit der Community sowie Vereine und Institutionen, die sich mit Antidiskriminierung auseinandersetzen möchten. So unterstützte die Kampagne beispielsweise das Grimme Institut bei der Auswahl der medialen Beiträge für den Artikel „Einblicke statt Vorurteile – LSBTTI in den Medien“ des Dossiers „Plädoyer für die Vielfalt“.
„‘Einblicke statt Vorurteile‘ ist ein sehr passender Titel“, meint Caroline Frank. „Darum geht es auch in unserer Arbeit. Wir möchten nicht nur Wissen vermitteln, sondern auch Begegnungen schaffen. Menschen sortieren ihre Welt oft in Kategorien oder Schubladen, um sie sich zu vereinfachen. Das ist erstmal nichts Ungewöhnliches – es ist sogar mitunter verständlich. Entscheidend ist aber, dass wir uns fragen, wen wir warum in eine Schublade stecken und wie flexibel diese Konstruktion ist. Denn es ist ein künstlicher Vorgang, der nicht nur unser eigenes Denken einengt, sondern auch die, über die wir denken.“
Ein Mensch ist nie nur ein Aspekt seiner Persönlichkeit. Es spielen immer unterschiedliche Eigenschaften, Identitätsmerkmale, Diskriminierungen oder Privilegien eine Rolle. Diese zu betrachten, kann dabei helfen einander besser zu verstehen – oder auch nicht zu verstehen und dennoch zu akzeptieren. LSBTIQ*feindlichkeit existiert nicht unabhängig z.B. von Rassismus, Sexismus oder Lookismus (Stereotypisierung und Diskriminierung auf Grund des Aussehens). Die Studie „Abwertung gleichgeschlechtlich liebender Menschen in NRW“ zeigt, dass Homofeindlichkeit mit anderen Diskriminierungsformen verschränkt ist. Es konnte in Studien zur ‚Gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit‘ mehrfach empirisch nachgewiesen werden, dass Homofeindlichkeit signifikant mit einer ganzen Reihe weiterer Einstellungen wie zum Beispiel Antisemitismus, Rassismus, Sexismus oder Fremdenfeindlichkeit korreliert. Homofeindlichkeit ist damit
„ein gesellschaftlich oft unterschätztes Reservoir an Feindseligkeit, Abwertung und Stigmatisierung, die weit mehr als nur homosexuelle Menschen oder Gruppen trifft. Homophobe Einstellungen können sich zur menschenfeindlichen Ideologie und Handlungsgrundlage generalisieren. Sie dienen dazu, Ungleichbehandlung, Ausgrenzungen und Diskriminierungen zu begründen und zu rechtfertigen.“ (Abwertung gleichgeschlechtlich liebender Menschen in Nordrhein-Westfalen, Zick, A. & Küpper, B., 2015)
Werden diese gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeiten zusammen betrachtet, können ihre Ursachen und Wirkungen nicht nur besser verstanden, sondern auch besser gemeinschaftlich bekämpft werden. Die Kampagne hat also vom Ansatz her inklusive und intersektionelle Ziele.
Was sagt das über unser Schubladendenken aus? Wenn unterschiedliche Aspekte untrennbar miteinander verbunden sind, wie kann dann so etwas wie eine Schublade überhaupt existieren? In der Arbeit der Kampagne „anders und gleich“ generell, als auch in den Workshops zum medialen Umgang mit LSBTIQ* werden möglichst viele Aspekte mitgedacht und einbezogen. „In einem Teil des Workshops beschäftigen wir uns mit der rassistischen Instrumentalisierung von LSBTIQ* durch die AfD“, erklärt Caroline Frank. „Die AfD schürt rassistische und antimuslimische Vorurteile und Ängste gegenüber Geflüchteten und Menschen, die sie als nicht-Deutsch einordnen – quasi ein Ausspielen von Minderheiten gegen eine andere. Uns ist es sehr wichtig, dass wir uns antirassistisch positionieren, diese perfiden Methoden demaskieren und ihnen Fakten und Begegnung entgegensetzen.“
Außerdem sind Diskussionen um „politische Korrektheit“, „Meinungsfreiheit“ und „Sprechverbote“ immer wieder Teil der Kampagnen-Arbeit. Oft wird von anti-aufklärerischen Bewegungen und unaufgeklärten Menschen behauptet, ihre diskriminierenden Äußerungen oder abwertenden Einstellungen seien Teil ihres Rechts auf freie Meinungsäußerung und sie würden sich keine „Sprechverbote“ erteilen lassen. Manchmal wird auch von einem „political-correctness-Wahn“ gesprochen. Doch worum geht es eigentlich wirklich? Es geht nicht um Verbote, sondern um die Forderung, nicht zu verletzen. Es geht darum, dass Menschen lernen, respektvoll miteinander umzugehen. Dazu ist es zunächst wichtig zuzuhören, um zu verstehen, was eine andere Person verletzt oder was schlicht sachlich falsch ist. Das können bestimmte Begriffe, Darstellungsformen oder thematische Verknüpfungen sein. Und hier kommen auch Medienschaffende ins Spiel: Für sie gilt es diese Begriffe, Darstellungsformen und Verknüpfungen zu kennen und einordnen zu können. Immer wieder werden Pressemitteilungen oder Äußerungen von anti-aufklärerischen Bewegungen unkommentiert übernommen – viele davon gespickt mit diskriminierenden Begriffen, Lügen und falschen Darstellungen. Das heißt, es geht letztendlich um Professionalität.
Die Aufgabe, in der Allgemeinbevölkerung für Sichtbarkeit, Aufklärung und Sensibilisierung zu sorgen, kann auf sehr vielen Wegen umgesetzt werden, zum Beispiel durch Kooperationen wie mit der NRW Sportjugend, dem LWL Museum für Kunst und Kultur Münster oder mit Sportvereinen wie dem FC Finnentrop. Ein sehr wichtiges Werkzeug für diese Arbeit sind die Materialien der Kampagne, insbesondere die „Fibel der vielen kleinen Unterschiede“. Das ist eine Art Wörterbuch zur sexuellen und geschlechtlichen Vielfalt. Sie kann über die Kampagnen-Homepage kostenfrei bestellt werden und wird viel von Schulen, (Familien)Beratungsstellen, Universitäten, Stadtverwaltungen, der Polizei und anderen genutzt. Außerdem stehen hier Publikationen zu unterschiedlichen Themen zum Download bereit.
Das Empowerment, also die Bestärkung der LSBTIQ* Community ist ebenfalls eine Kernaufgabe der Kampagne – sei es durch die Unterstützung von Projekten, Christopher Street Days oder durch die Veröffentlichung von Informationen und Kontakten: In der Rubrik „Adressen NRWweit“ auf der Kampagnen-Homepage gibt es einen „Kontaktfinder“ zu Beratungsstellen, Gruppen und Angeboten in NRW.
„Besonders aktuell und – wegen der prekären Lage in den Unterkünften – drängend ist die Situation von geflüchteten LSBTIQ*. Auch hier möchten wir unbedingt unterstützen“, sagt Caroline Frank. Die Kampagne stellt Informationen zu Beratungsangeboten für geflüchtete LSBTIQ*, für Ehren- und Hauptamtliche in der Geflüchtetenhilfe und allgemeine Informationen zu Asyl auf www.andersundgleich-nrw.de/flucht bereit. Auch wird gezielt in der Community dafür geworben, dass sich Menschen ehrenamtlich engagieren.
Die Kampagne „anders und gleich“ bekommt bei ihrer Arbeit viel Unterstützung, nicht nur in der Zusammenarbeit mit anderen Antidiskriminierungs- und Selbsthilfe-Projekten wie SCHLAU NRW, Queere Jugend NRW und die Anti-Gewalt-Arbeit für Lesben, Schwule & Trans NRW, sondern auch von prominenter Seite: Udo Lindenberg, Rita Süssmuth, Christoph Maria Herbst, Mariele Millowitsch und die Donots sind nur einige der Prominenten, die mit ihrem Gesicht und ihrem Statement für Vielfalt die Kampagne unterstützen.
Weitere Informationen zur Kampagne finden Sie unter:
www.andersundgleich-nrw.de
www.fb.com/andersundgleich