Im Januar 2015 sorgte die britische Boulevardzeitung The Sun für Schlagzeilen, als sie ankündigte, sich von den „Oben-ohne“-Abbildungen junger Frauen auf Seite 3 zu verabschieden, die 1970 mit der Abbildung einer 22-Jährigen Deutschen begonnen hatten. In Deutschland, wo die nackten Mädchen traditionell auf Seite 1 der BILD Zeitung zu finden waren, kam es schon 2012 zu dieser Entscheidung. Von feministischen Organisationen wie „No More Page 3“ wurde der Schritt der SUN als großer Schritt im Kampf gegen Sexismus in den Medien gefeiert. Schon 1986 hatte sich die konservative Abgeordnete Clare Short im britischen Parlament für die Verbannung der Seite-3-Models ausgesprochen:
„The pictures in The Sun, besides being demeaning to women, distort and corrupt men’s idea of sexuality and their conception of the sexual relations that they may have. They are damaging, and possibly affect the climate that allows the incidence of rape to increase. That is my objection.“ (Clare Short 1986)
Aber schon weniger als eine Woche nach der historischen Ankündigung, zwinkerte in der Rubrik „Klarstellungen und Korrekturen“ wieder eine nackte Frau vom Blatt. Bereits zuvor hatte man sich diese Option offengehalten, falls das fehlende page-3-girl zu einem Umsatzeinbruch führen würde. Selbst wenn die Sun bei ihrer Entscheidung geblieben wäre, zeigt ein Blick auf die Begründung des amerikanischen Playboy, der seit 2015 in den USA auf komplett unbekleidete Frauen verzichtet, eine fragwürdige Argumentation: Man sei ja heute sowieso nur einen Klick von der kostenlosen Darstellung jeglichen sexuellen Aktes im Internet entfernt. Zeigt diese Geschichte also, dass sich seit über 40 Jahren in der Darstellung von Frauen in den Medien wenig bis nichts geändert hat? Immerhin sorgte der amerikanische Playboy zuletzt mit der Abbildung einer jungen Frau im Kopftuch für Schlagzeilen. Noor Tagouri war auch nicht ausschließlich aufgrund ihres Aussehens im Fokus des Blattes, sondern wegen ihrer Karriere als junge Journalistin.
Dieses Kapitel nimmt die Bilder von Frauen in verschiedenen Medien genauer in den Blick, einerseits im Sinne der bildlichen Darstellung, andererseits im Sinne der vermittelten Rollenbilder. Unabhängig vom jeweiligen Medium liegen der stereotypen oder sexistischen Darstellung von Frauen ähnliche Probleme zu Grunde, die am Beispiel Film herausgearbeitet werden. Diese Problematiken haben aber in den jeweiligen Medien unterschiedliche Konsequenzen, was im Kontext von Kinderfernsehen und Werbung verdeutlicht wird.
Film & Fernsehen
In ihrem für die feministische Filmwissenschaft grundlegenden Artikel „Visual Pleasure and Narrative Cinema“ von 1975 unterscheidet Laura Mulvey zwischen einem aktiven männlichen Blick der Zuschauer und der handlungstragenden männlichen Figuren, dem die weibliche Rolle des passiven Angeschautwerdens auf der Leinwand gegenübersteht. Zuschauerinnen – die tatsächlich auch die Hälfte aller Kinobesucher ausmachen – bleibt in dieser Anordnung nur die Möglichkeit, sich mit dem männlichen, vor allem sexualisierenden Blick, auf ihr Geschlecht zu identifizieren. Diesem Schluss lässt sich natürlich entgegensetzen, dass sich in den vergangenen 40 Jahren in Sachen Gleichberechtigung viel verändert hat und sowohl Frauen als auch Männer sich diesem Identifizierungsangebot verweigern können. Nichtsdestotrotz legen aktuelle Untersuchungen zu den Geschlechterverhältnissen auf dem Bildschirm nahe, dass im großen Hollywoodkino immer noch Männer Handlung und Perspektive dominieren.
In ihrem Blog Filmlöwin präsentiert die freie Journalistin Sophie Charlotte Rieger Filme weiblicher Filmschaffender und analysiert auch das aktuelle Hollywoodkino aus feministischer Perspektive.
In einer automatisierten Analyse von Redeanteilen in den USA-weit 100 erfolgreichsten Filmen aus dem Jahr 2015 wurde am amerikanischen Geena Davis Institute festgestellt: Männer sind doppelt so häufig auf dem Bildschirm zu sehen wie Frauen; auch sprechen Männer doppelt so lange wie Frauen im Film. Daten aus 2.000 Hollywood-Filmen sind in diesem Essay von Hannah Anderson und Matt Daniels visuell aufbereitet und nach Filmtitel durchsuchbar. Nur 17 Prozent der amerikanischen Filme haben weibliche Hauptrollen und selbst in diesen Filmen übersteigt der Redeanteil von Frauen den der Männer nicht. In deutschen Filmen, so zeigt der internationale Vergleich, spielen Frauen zwar deutlich häufiger Hauptrollen als in den USA. Sie treten darin aber auch deutlich häufiger nackt oder in aufreizender Kleidung auf.
Anita Sarkeesian stellt in diesem Clip den Bechdel-Test vor sowie einige bekannte Filme, die ihm nicht genügen.
Neben diesen quantitativen Analysen stellt der sogenannte „Bechdel Test“, der auf einen Cartoon der Zeichnerin Alison Bechdel von 1985 zurückgeht, drei Fragen an einen Film: a) Gibt es mindestens zwei Frauen in diesem Film, die mit einem Namen bezeichnet werden, b) sprechen diese Frauen miteinander oder adressieren sie immer nur die männlichen Darsteller, c) sprechen sie über etwas anderes als über Männer? Wie eine Übersicht der 250 auf imdb.com beliebtesten Filme (bis 2010), die Zuschauer(innen) anhand des Bechdel-Tests analysiert haben, zeigt: Viele Hollywood-Produktionen entsprechen diesen Kriterien nicht. Dabei sind Filme, die den Bechdel-Test bestehen, sogar ökonomisch erfolgreicher als Filme, die durchfallen, wie eine Analyse des Datenblogs des amerikanischen TV-Senders ESPN von 2014 bewies.
Seit 2012 liegt der Bechdel-Test Entscheidungen über die Förderung von Filmen durch EURIMAGES zu Grunde.
Nichtsdestotrotz ist der Bechdel-Test nur ein grober Indikator für die Gleichberechtigung der Geschlechter auf der Leinwand, der zudem nie für die wissenschaftliche Analyse von Filmen gedacht war. Ein Film wie Gravity, in dem eben nur eine Frau und ein Mann zu sehen sind, fällt durch den Test, obwohl Sandra Bullock eine Astronautin spielt und sie für die Handlung zentraler ist als ihr Filmpartner George Clooney. Blind ist der Test ebenso für die visuelle Darstellung von Frauen und die Frage, in wie weit diese unverhältnismäßig sexualisiert ist. Wie eine weitere Analyse des Geena Davis Institutes zeigt, werden im Film weltweit zum Beispiel Kommentare über das Aussehen fünfmal häufiger an Frauen als an Männer gerichtet, und Frauen werden in Filmen im Vergleich zu Männern mehr als doppelt so häufig nackt oder in aufreizender Kleidung gezeigt.
Das Internationale Frauenfilmfestival Dortmund/Köln widmet sich seit über 20 Jahren Filmen von Regisseurinnen, Kamerafrauen, Filmmusikerinnen etc. Jährlich werden in den beiden Städten im Wechsel ausgewählte Filme gezeigt und ihre Macherinnen prämiert.
Außerdem werden im Bechdel-Test auch nicht die Rollen analysiert, die Frauen in den Filmen einnehmen. So gingen in den erfolgreichsten Filmen von 2015 Männer deutlich häufiger einem klar identifizierbaren Beruf nach und waren auch bei der Arbeit zu sehen. Dabei reflektiert auch die Berufswahl auf der Leinwand Geschlechterstereotype. In der internationalen Studie des Geena Davis Institute kommen auf 115 männliche Politiker nur 12 Frauen in der höheren Politik, obwohl nach Zahlen der Weltbank weltweit jeder fünfte Parlamentssitz von einer Frau besetzt ist. In einem deutschen Film, in dem Angela Merkel auftauchte, bemerken die Forscher, sprach sie nicht einmal.
Auch hinter der Kamera sind Frauen weniger präsent als Männer: Hier kommen auf eine Frau knapp vier Männer, was besonders deutlich am Beruf des Regisseurs zu sehen ist. In Deutschland entsteht nur jeder fünfte Film unter weiblicher Regie und das auch noch mit weniger Filmförderung als die Filme der männlichen Kollegen, obwohl ihre Filme häufiger mit Preisen bedacht werden.
Das Kapitel „Frauen in Medienberufen“ setzt sich genauer mit der aktuellen Situation von Frauen in Medienberufen und Fördermöglichkeiten auseinander.
Diese Zahlen und Inhaltsanalysen zeigen, dass sich im Film stereotype Darstellungen und Rollenklischees fortsetzen und sich an manchen Stellen das Ungleichheitsverhältnis zwischen Männern und Frauen sogar noch stärker darstellt, als es in Wirklichkeit ist. Daraus ergeben sich drei Grundtendenzen, die auch das Frauenbild in anderen Medien prägen. Erstens: die ästhetische Darstellung von Frauen, die sie deutlich häufiger sexualisiert als Männer. Zweitens: die Rollen, die Frauen in den Darstellungen einnehmen, da sie seltener als aktiv und auch in Männerdomänen beruflich erfolgreich gezeigt werden. Drittens: die mangelnde Möglichkeit von Frauen, in Kreativberufen ihre Perspektive auf die Welt medial umzusetzen.
Kinderfernsehen
1976 erschien die Biene Maja zum ersten Mal auf den deutschen Fernsehbildschirmen, ein Bienenmädchen, das sowohl Mädchen als auch Jungen zur Erkundung ihrer Welt einlädt. Vom Körperbau erschien sie damals eher einer Hummel als einer Biene gleich. Gut eine Generation später kam 2013 eine neue Maja auf den Schirm, 3D- statt zeichentrick-animiert und deutlich verschlankt. Begründet wurde die Erneuerung mit den veränderten Sehgewohnheiten der Kinder. Von einer pummeligen Biene im TV ungesundes Essverhalten beziehungsweise von einer dünnen Biene Schlankheitswahn abzuleiten erschiene absurd. Auch in der neuen Version ist Maja ein starkes Mädchen, das auch oft ihrem Kumpel Willi zeigt, wo es langgeht. Dennoch haben sich die Körperbilder im Kinderfernsehen verändert und zwar besonders bei der Darstellung von Mädchen.
In einer Studie des Münchner Zentralinstituts für Jugend- und Bildungsfernsehen, für die die Körpermaße von 102 weiblichen Zeichentrickfiguren untersucht wurden, zeigte sich, dass die meisten davon ein unrealistisches Taillen-Hüft-Verhältnis („Wespentaille“) sowie überproportional lange Beine haben. So befindet sich zum Beispiel die Figur der „Kim Possible“ in ihren Proportionen im gleichen Bereich wie Barbie-Puppen, während die Erfinder und Macher der Serie betonen, ihnen sei daran gelegen gewesen, „dass Kim wie eine echte 14-Jährige aussieht, ohne Übersexualisierung, einfach wie ein hübsches, athletisches Mädchen.“
Die Forscherinnen sehen darin den Beweis, dass der weibliche Körper bereits im Kinderfernsehen sexualisiert wird. Auch wenn sie darauf hinweisen, dass eine überschlanke Zeichentrickfigur nicht automatisch dazu führt, dass Mädchen diesem Ideal nacheifern wollen, machen sie deutlich, dass durch diese Figuren ein eingeschränktes Schönheitsideal präsentiert wird, das dazu einlädt, den eigenen Körper als defizitär wahrzunehmen.
Die aktuelle Kinder- und Jugendgesundheitsstudie HBSC zeigt: Bereits im Alter von 11 Jahren empfindet sich über ein Viertel der Mädchen in Deutschland als zu dick; ein Wert, der bei 15-Jährigen auf fast 50 Prozent ansteigt, obwohl nur knapp sechs Prozent der 11-Jährigen und neun Prozent der älteren Mädchen tatsächlich übergewichtig sind: Untergewicht ist in beiden Altersgruppen viel deutlicher ausgeprägt. Diese Zahlen zeigen, dass schon Kinder ein übertriebenes Schlankheitsideal verinnerlicht haben.
Ebenso sind im Kinderfernsehen auch die Rollen für Mädchen eingeschränkt. Das Identifikationsangebot per se ist die Prinzessin. Von Prinzen gerettet zu werden ist allerdings dabei schon lange nicht mehr ihre einzige Funktion. Wie Maja sind auch die TV-Prinzessinnen stark und eigeninitiativ geworden: „Für jedes Mädchen, das an sich glaubt, gibt es eine Prinzessin, die beweist, dass alles möglich ist“, heißt es in einer aktuellen Kampagne von Disney. Das dazugehörige Werbevideo zeigt auch tatsächlich sportlich aktive und mutige Mädchen.
Interessanterweise gibt es für die kleinen Forscherinnen, Politikerinnen und Astronautinnen und ein Mädchen mit Behinderung, die der Clip zeigt, keine entsprechende Prinzessin. Ähnlich wie in den Hollywoodfilmen wird auch im Kinderfernsehen ein Unterschied bei den beruflichen Zielen von weiblichen und männlichen Figuren gemacht. Dass auch in Disney-Filmen über 60 Prozent des Dialogs von männlichen Figuren gesprochen werden, unterstreicht das Ungleichheitsverhältnis der Geschlechter zusätzlich. Auch bei den Simpsons haben über 26 Staffeln hinweg Homer und Bart weit mehr zu sagen als Marge und Lisa.
In einer Analyse des Geena Davis Institute von 21 für Kinder freigegebenen Filmen zeigt sich, dass auch hier mehr Männer als Frauen im Beruf zu sehen sind. Kein weiblicher Charakter trat als Ärztin, Geschäftsfrau oder Politikerin auf; immerhin sind neun Prozent der 65 in den Filmen dargestellten Naturwissenschaftler Frauen. Aus diesen Ergebnissen wird der Schluss gezogen, dass Mädchen eine geringere Auswahlmöglichkeit an Jobs präsentiert wird als Jungen, was sich auf die Einschätzung der eigenen Berufschancen von Mädchen auswirken kann.
Diese Ergebnisse zeigen, dass im Kinderfernsehen Frauen und Mädchen ähnlich stereotyp dargestellt werden wie im Kino für Erwachsene. In diesen Verkürzungen alleine Gründe für Unzufriedenheit mit dem eigenen Körper und geringeres Interesse an mathematisch-naturwissenschaftlichen Fächern zu suchen, wäre allerdings wiederum eine Verkürzung, da Faktoren wie die Erziehung durch Eltern und Lehrer(innen) und das Umfeld der Freunde ebenso Körperbild und Lebensziele beeinflussen. Dennoch: Die unrealistische beziehungsweise stereotypisierte Darstellung von Mädchen im TV tut auch wenig dazu, diese Bilder zu pluralisieren und für eine positive Verstärkung von normalen Körperbildern und Berufswünschen jenseits der „weiblichen“ Berufsfelder zu sorgen.
Frauen in der Werbung
Sexy oder sexistisch? Das ist die Grundfrage einer neuen Kampagne der Initiative „Pink Stinks“, die sich gegen die sexualisierende oder diskriminierende Darstellung von Frauen als reine Verkaufsförderung einsetzt und zuletzt auch die Debatte über ein gesetzliches Verbot sexistischer Werbung vorangetrieben hat. Auf dem Kampagnenplakat ist zweimal eine junge Frau in Unterwäsche auf einem blauen Sessel zu sehen. In der linken Bildhälfte wird damit der BH beworben, in der rechten Hälfte der Sessel. Hier wird deutlich, dass nicht jede Werbung, in der Frauen in Unterwäsche zu sehen sind, sexistisch ist; sie wird es erst, wenn die abgebildete Frau nichts mehr mit dem Produkt zu tun hat und nur Blickfang für eine beliebige Werbebotschaft wird.
In der Medienwirkungsforschung wurde gezeigt, dass Werbung mit „Sex-Appeal“ zwar Rezipienten stärker aktiviert, also Aufmerksamkeit auf sich zieht – aber das Nachdenken über das konkrete Produkt und das spätere Erinnerungsvermögen an die Marke regen diese Formen der Werbung deutlich weniger an. Für Werbung mit einer unangemessenen Verbindung einer nackten Frau mit einem Produkt ergaben sich in einer Studie sogar die mit Abstand geringsten Erinnerungswerte. Daraus lässt sich schließen: Werbung mit „Sex“ schafft Aufmerksamkeit, lenkt aber vom Produkt ab.
„Wer die Wirkung von erotischen Stilmitteln in der Werbung also immer noch unterstellen möchte, muss offensichtlich annehmen, dass es auf die kognitive Verarbeitung nicht nur nicht ankommt, sondern dass diese sogar zu vermeiden ist.“ (Moser/Verheyen 2011, S. 197)
Ebenfalls ergaben Wirkungsstudien, dass die Darstellung von schlanken Models bei Rezipientinnen das Idealbild von Frauen in Richtung stärkerer Schlankheit verschiebt. Wenn Frauen allerdings Werbung mit „verdrehten“ Geschlechterrollen sehen, steigen bei ihnen das Unabhängigkeitsgefühl und Selbstvertrauen. Wie Frauenkörper und weibliche Rollen in der Werbung dargestellt werden, beeinflusst also die Rezipientinnen (vgl.: Moser, Klaus; Verheyen, Christopher 2011: Sex-Appeal in der Werbung. Die Entwicklung der letzten Jahre. In Christina Holtz-Bacha, ed.: Stereotype? Frauen und Männer in der Werbung. Wiesbaden: VS Verlag, 188–210, S. 195-196/ 204-205).
In ihrer Präsentation auf der re:publica 2016 machte die Aktivistin „Elle Nerdinger“ (ab Minute 9:44) anhand einiger Beispiele aber auch deutlich, dass nicht jede Werbung, in der Frauen knapp bekleidet oder anderweitig „sexy“ auftreten, gleich sexistisch ist. So erklärt sie zum Beispiel, dass eine Werbung, in der Männer und Frauen gemeinsam beim Herumalbern im Waschsalon gezeigt werden, nicht sexistisch ist, weil a) nicht nur Frauen halbnackt gezeigt werden und b) das Motiv die Personen nicht auf ihre sexuelle Anziehung reduziert, sondern Lebensfreude suggeriert, in einem Kontext, der dazu noch die Kleiderlosigkeit (halbwegs) erklärt. Ihr Schlussplädoyer: Im Zweifel lieber mit niedlichen Tieren werben.
„If in doubt, use a cute animal!“ Elle Nerdinger
Diese Abwägungen zwischen „sexy“ und „sexistisch“ machen deutlich, weshalb ein im Frühjahr und Sommer 2016 diskutierter Gesetzentwurf zum Verbot sexistischer Werbung nicht einfach durch- und umzusetzen ist. Wie der Geschäftsführer des Gesamtverbands Kommunikationsagenturen, Ralf Nöcker, gegenüber dem Branchenmagazin Werben & Verkaufen betont, verlagere der von Justizminister Heiko Maas vorgelegte Gesetzentwurf die Diskussion endgültig auf die Geschmacksebene: „Wer will entscheiden, wann Werbung sexistisch ist?“ Daher halten Branchenvertreter die aktuelle Praxis, sexistische Werbung dem Deutschen Werberat zu melden, der dann Rügen ausspricht, für ausreichend. Im ersten Halbjahr 2016 gingen über 1.500 Beschwerden über Werbung beim Werberat ein, davon 1.000 gegen ein Werbevideo für Bratwurst, in dem Comedian Atze Schröder auf den Vergewaltigungsfall des Models Gina-Lisa Lohfink anspielte. Im zweiten Halbjahr 2016 wurde ein deutlicher Anstieg der Beschwerden festgestellt, was der Werberat auf den Gesetzentwurf von Justizminister Maas und die damit gesteigerte Aufmerksamkeit zurückführt.
Eine Liste mit Literaturempfehlungen zum Thema „Kinder & Werbung“ hat das Informationssystem Medienpädagogik zusammengestellt (Stand 2015).
Eine von dem Verbot sexistischer Werbung nicht miteinbezogene Dimension ist der stereotype Zuschnitt von Produkten auf die Geschlechter, wie er vor allem bei Produkten für Kinder praktiziert wird. „Pink stinks“ weist beispielsweise auf Bettwäsche hin, die aus Jungen Astronauten und aus Mädchen Prinzessinnen macht. Besonders in Deutschland ist die geschlechterspezifische Bewerbung von Produkten verbreitet. Während im internationalen Durchschnitt knapp 30 Prozent der TV-Werbespots im Kinderfernsehen entweder gezielt auf Mädchen oder Jungen ausgerichtet sind, sind es in Deutschland über 40 Prozent . Spots, die sich an Mädchen richten, spielen eher im Kinder- oder Schlafzimmer, die Spots für Jungen eher in Stadt und Natur. Motive wie Fürsorge und Schmücken finden sich einzig in Werbung, die Mädchen adressiert. Wieder werden hier stereotype Rollenbilder bedient und die Vielfalt der Interessen und Möglichkeiten geschlechterspezifisch eingeschränkt, sowohl mit Bezug auf Mädchen als auch auf Jungen.
Im Gegensatz zur Games-Branche sind in der Werbeindustrie zu mindestens 50 Prozent Frauen beschäftigt. Bei steigender Hierarchie-Ebene nimmt der Frauenanteil jedoch ähnlich wie in der Filmbranche ab. Zudem ist fraglich, wie viel Möglichkeit zur Subversion von Stereotypen weiblichen Beschäftigten in der kundenorientierten Werbebranche bleibt. Romy Fröhlich weist daher darauf hin, dass ein gesteigerter Frauenanteil in der Werbung nicht zwangsläufig ihre Inhalte verändert, da für solch eine Veränderung weitere gesellschaftliche Veränderungen nötig sind, die einen Bedarf für Frauenbilder jenseits der Stereotype schaffen (vgl: Fröhlich, Romy 2011: Werbung in Deutschland. Auf dem Weg zu einem Frauenberuf? In Christina Holtz-Bacha, ed.: Stereotype? Frauen und Männer in der Werbung. 25–50, S. 44-46).
Ein Vergleich zwischen aktuellen Werbekampagnen in Deutschland und Schweden zeigt, dass dort die Gleichberechtigung der Geschlechter stärker betont wird, zum Beispiel, wenn ein Mann in einer Werbung für Männerkosmetik nicht mit einem Auto, sondern mit seinem Kind spielend gezeigt wird. Als Grund hierfür werden „weiblichere“ Werte wie Kooperation, Konsens, Gleichheit und Solidarität angeführt, während Deutschland in Geert Hofstedes vergleichender Untersuchung von Kulturdimensionen mit Betonung von Wettbewerb, Zielstrebigkeit und Kraft als eher männliche Gesellschaft eingestuft wird.
Fazit
Es zeigt sich, dass die Grundproblematiken der sexualisierten Darstellung und der Beschränkung auf bestimmte Rollenbilder sowie der mangelnde Einfluss von Frauen auf die Medienproduktion in vielen Medien und Bereichen zu finden sind. Konkrete Kausalzusammenhänge zwischen den Frauenbildern in den Medien und Gewalt gegen Frauen oder ihrer Diskriminierung im Alltag sind nicht zu beweisen und verkennen die Komplexität der Wirkung von Medien und ihrer Entstehung aus der Gesellschaft heraus. Nichtsdestotrotz lassen sich gewisse Tendenzen in der Darstellung von Frauen in den Medien erkennen, denen man Auswirkungen auf das Selbstbild von Frauen und ihre sozial akzeptierten Rollen unterstellen kann. Mediale Darstellungen stecken einen Normbereich für Aussehen und Rollen von Frauen ab. Dabei werden Geschlechterstereotypen teilweise als stärker dargestellt, als sie in Wirklichkeit sind; so wird die Bandbreite der Normen verkürzt, woraus ein höherer Konformitätsdruck für Frauen entsteht.
Öffentliche Debatten wie die um den Gesetzesentwurf zur sexistischen Werbung in Deutschland zeigen, dass die medialen Frauenbilder und kritische Positionen zu ihnen derzeit stärker in den öffentlichen Fokus rücken. Frauen die Möglichkeit zu geben, ihre Repräsentation mitzubestimmen und ihre Perspektive ohne Angst vor Gewaltandrohungen weniger, aber lauter Gegner äußern zu können, sind erste Schritte. Gleichzeitig löst eine Veränderung dieser medialen Frauenbilder nicht gleich alle Probleme der Ungleichbehandlung, da neben dem Problembewusstsein und den Alternativen auch eine gesellschaftliche Akzeptanz für ein pluraleres Frauen- und Männerbild nötig ist.
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