Die Präsidentschaftswahl in den USA 2016 hätte Hillary Clinton zur ersten Frau im höchsten Amt der Vereinigten Staaten machen können, aber: Es kam anders. Noch in der Wahlnacht appellierte Hillary Clinton an die Frauen und Mädchen, die ihre Hoffnungen in sie gesetzt haben: Nichts habe sie stolzer gemacht, als ihre Vorkämpferin zu sein. Dieses Mal habe es nicht geklappt, diese höchste und härteste gläserne Decke zu durchbrechen, aber bald – hoffentlich schneller als viele heute denken mögen – werde es jemand schaffen.
Und weiter:
„And to all the little girls who are watching this. Never doubt that you are valuable and powerful and deserving of every chance and every opportunity in the world to pursue and achieve your own dreams.”
Bereits mit ihrer Nominierung als demokratische Präsidentschaftskandidatin hat Hillary Clinton Geschichte geschrieben. Um daran zu erinnern, wie bedeutend allein schon die Möglichkeit ist, für eine Frau als Präsidentin im Weißen Haus zu stimmen, beklebten Wähler(innen) am Wahltag das Grab von Susan Anthony mit „I voted“ Stickern. Anthony war 1872 verhaftet worden, weil sie versucht hatte, zu wählen. Sie wurde zur Ikone der „Suffragetten“, der Frauen, die sich für das Wahlrecht von Frauen einsetzten. Anthony starb noch bevor 1920 zum ersten Mal Frauen bei der Präsidentschaftswahl in den USA abstimmen durften.
Wie Zahlen der Weltbank zeigen, steigt der Anteil der Frauen in den Parlamenten der Welt stetig an. Aktuell liegt der Anteil aber immer noch bei weniger als 25 Prozent.
Im deutschen Bundestag sitzen aktuell 232 Frauen, womit Deutschland einen Frauenanteil von 37 Prozent erreicht. Seit nunmehr zehn Jahren ist Angela Merkel Kanzlerin. Nichtsdestotrotz ist auch Deutschland noch weit von einer Gleichberechtigung in politischen Ämtern entfernt.
Nachdem die 26-jährige Berliner Lokalpolitikerin Jenna Behrends vor kurzem öffentlich machte, dass sie von einem Parteikollegen als „große süße Maus“ bezeichnet wurde, und man ihr vorwarf, sich „hoch geschlafen“ zu haben, äußerten sich, zum Beispiel im Spiegel, auch andere Politikerinnen zu Sexismus als Machtspiel im politischen Alltag, z. B. von der ständigen Thematisierung des Aussehens oder der Frage nach dem politischen „Ziehvater“, der der Frau zum entsprechenden Posten verholfen habe. Dabei geht es aber um viel mehr als sexuelle Anspielungen, sondern die Kompetenz der Frauen wird in Frage gestellt:
„Das Thema sind nicht die dummen Sprüche eines aussterbenden Altherrenmilieus, sondern eine Mischung aus Mobbing, männlichen Seilschaften und sexistischen Sprüchen, mit denen Frauen zu ‚Mäusen‘ und ‚Kaninchen‘, zu ‚Mädchen‘ und ‚Muttis‘ gemacht werden.“ (Der Spiegel 40/2016, S. 36)
Diese Sprache hat in Politik und Medien System: Auch Merkel war erst „Pfarrerstochter“, dann „Kohls Mädchen“, im Wahlkampf 2005 die vielbesungene, verniedlichte „Angie“, bevor sie auch international zur „Mutti“ der Nation wurde. Ihre Kartoffelsuppe ist regelmäßig Thema, wenn es darum geht die Kanzlerin, privat zu zeigen. Durch die Assoziation mit der Mutterrolle und dem heimischen Herd wird Merkel dadurch mit „weichen“, weiblichen Themen in Verbindung gebracht.
Mächtige Politikerinnen sind für die Medien immer noch Sonderfälle, weswegen ihnen eine spezielle und von Fall zu Fall bzw. Land zu Land unterschiedliche Behandlung zukommt. Als Theresa May im Sommer 2016 zur Premierministerin Großbritanniens wurde, druckte die Sun nur ein winziges Portraitfoto von ihr ab und stellte anstelle dessen ihre Stilettos ins Zentrum ihres Titelbildes, mit denen sie auf den Köpfen ihrer unterlegenen männlichen Parteikollegen herumtrampelt.
Ihr Nicht-Mann-Sein hat an dieser Stelle also den größten Nachrichtenwert. Der Entscheidung für May vorausgegangen war eine Debatte darum, ob May als kinderlose Kandidatin weniger für das Amt geeignet wäre als die Mutter Andrea Leadsom. Dieses Argument wurde von Leadsom selbst ins Spiel gebracht, aber sie beteuerte, in der Interviewsituation zu diesem Statement gedrängt worden zu sein.
Wieder sind es eingespielte Rollenbilder, die mit der öffentlichen Darstellung von Frauen verknüpft werden. Eine Untersuchung der Titelseiten deutscher Magazine 2005 zeigte zum Beispiel, dass Frauen öfter im Kontext der Themen Kultur und Haus abgebildet werden, während die Themen Außenpolitik, Krieg und Wirtschaft von Männern dominiert werden (Kinnebrock, Knieper 2008). Von 36 Abbildungen von Personen des politischen Lebens auf dem Titel des Spiegel 2005 waren gerade einmal fünf Frauen: viermal Merkel, einmal Condoleezza Rice, die damalige US-amerikanische Außenministerin (Kinnebrock, Knieper 2008, S. 97). Im Gegensatz zu den Kollegen Joschka Fischer (damals Außenminister), Peer Steinbrück (Finanzminister) oder Wolfgang Schäuble (Innenminister) schafften es Ministerinnen wie Renate Künast (Landwirtschaftsministerin), Ulla Schmidt (Gesundheitsministerin) oder Ursula von der Leyen (Familienministerin) 2005 nicht auf die Spiegel-Titel.
Selbst wenn man dieses Missverhältnis auf Nachrichten- und Themenlage zurückführt, zeigt sich an diesem Beispiel: Weibliche Politik wird erst sichtbar, wenn sie sich auf der obersten Machtebene wie dem Kanzleramt oder im Außenministerium abspielt, weil auch politische „Frauenthemen“ wie Gesundheit, Soziales und Familie im öffentlichen Diskurs weniger sichtbar sind. Mit „Männer“-Themen zu punkten ist für Frauen allerdings schwierig. Eine Untersuchung in den USA hat gezeigt, dass Wähler und Wählerinnen, denen Themen wie innere Sicherheit oder Bekämpfung des Terrorismus wichtig sind, eher einem männlichen Präsidenten zutrauen würden, diese zu bewältigen (Falk, Kenski 2006 zitiert in: Holtz-Bacha 2007, S. 83).
Das „Thea-Blog“ beschäftigt sich mit der Art und Weise, wie über Frauen in den Medien gesprochen wird. Die Rubrik „Das erste Mal“ listet Daten auf, zu denen Frauen etwas in der Geschichte zum ersten Mal getan haben, z. B. zur Geschäftsführerin von Microsoft Deutschland aufsteigen (2015), Verteidigungsministerin in Deutschland werden (2013), einen Oscar als beste Regisseurin erhalten (2009).
Erst Frauen „an der Macht“ machen also eine Veränderung des Frauenbildes möglich. Wie Birgit Meyer in einem Artikel von 2009 zeigt, sind die Berichte über Frauen in der deutschen Politik nicht zuletzt dank der Gewöhnung an Angela Merkel sachlicher und differenzierter geworden. Dies macht deutlich, dass letztendlich nur eine größere Präsenz von Frauen in der Politik das Frauenbild in den Medien verändert kann.
Dass Frauen in der Politik immer noch unterrepräsentiert sind, hat viele Gründe. Eine Umfrage der Europäischen Akademie für Frauen in Politik und Wirtschaft unter Kommunalpolitikerinnen ergab, dass sich die meisten Mütter erst politisch engagieren können, sobald ihre Kinder „aus dem Gröbsten raus“ sind. Familie und politisches (Ehren-)Amt lassen sich also nur schwer verbinden. Hier ähneln sich also die Gründe für die mangelnde Präsenz von Frauen in der Politik und im beruflichen Umfeld.
„Die Geschlechterverhältnisse im zivilgesellschaftlichen Engagement ähneln der horizontalen und vertikalen geschlechtsspezifischen Segregation des Arbeitsmarktes: Zum einen sind Frauen überwiegend in anderen Engagementfeldern als Männer tätig; zum anderen ist nur etwa ein Drittel der ehrenamtlichen Leitungspositionen von Frauen besetzt.“ Uta Kletzing
Wichtige Grundlage für die politische Laufbahn von Frauen ist ehrenamtliches Engagement bereits in der Jugend. Ebenso bedarf es oft der Motivation von außen, sich das politische Amt zuzutrauen, vor allem aus dem Kreis der Parteikolleg(inn)en.
Mehr zum Thema Engagement von jungen Menschen in Politik und Gesellschaft bietet das Dossier „Jugend: informiert & engagiert“.
Als einen weiteren Faktor für die Motivation von Frauen für politische Ämter nennt Uta Kletzing Arbeit am Bild der Kommunalpolitik, die immer noch mit Begriffen wie „Platzhirschgehabe“, „Hinterzimmertreffen“ und „Kungelei“ in Verbindung gebracht wird. Sexistisches Verhalten gegenüber Frauen ist hier eine weitere Dimension. Das heißt, die politische Kultur muss sich für Frauen öffnen, sich ihren Lebenssituationen anpassen und sie motivieren.
Hillary Clinton wurde während des Präsidentschaftswahlkampfes von Donald Trump vorgeworfen, die „Frauenkarte“ zu ziehen und außer ihrer Weiblichkeit kein Argument zu haben. Sie entgegnete daraufhin, dass sie gerne die Frauenkarte ziehe, wenn dies bedeute, sich für Frauenrechte einzusetzen. Politikerinnen, die sich für Frauenrechte einsetzen, geraten allerdings in eine „Doppelfalle“, erklärt Birgit Meyer: „Zum einen, weil sie als Angehörige des ‚anderen‘ Geschlechts den ‚Männerbund‘ Politik ohnehin schon ’stören‘, zum anderen, weil sie es darüber hinaus auch noch ‚wagen‘, Forderungen für ihr Geschlecht zu erheben.“ Ihr Engagement hat für Frauen oftmals auch direkte Konsequenzen. In einem Parlament angekommen, schlagen 40 Prozent der Politikerinnen Todes- oder Gewaltandrohungen entgegen. Jede fünfte der 55 Parlamentarierinnen, die für diese internationale Studie der Interparlamentarischen Union befragt wurden, hat bereits eine Form sexueller Gewalt erlebt.
Aber Frauen in der Politik haben nicht nur mit der Opposition durch Politkollegen zu kämpfen. Auch im öffentlichen Diskurs sind sie häufiger Zielscheibe von Aggressionen als Männer. Während des demokratischen Kandidatenentscheids erhielt Hillary Clinton doppelt so viele Beschimpfungen auf Twitter wie ihr Kontrahent Bernie Sanders. In Deutschland machen bereits viele Politikerinnen auf das Problem der Attacken gegen sie aufmerksam. Grünen-Politikerin Renate Künast hat zum Beispiel zusammen mit dem „Spiegel“ ihre Online-Hasser besucht. Ihre Parteikollegin Katrin Göring-Eckhart liest die verunglimpfenden Kommentare auf ihrer Facebook-Seite vor.
Ein weiteres Beispiel der Verunglimpfung von Frauen in männlich dominierten Bereichen bietet der Artikel zu Frauen & Computerspiele. Hintergründe zum Thema Hate Speech finden sich in den (Kon)Texten.
Dabei wird deutlich, dass es Politikerinnen nicht anders ergeht als Frauen in anderen öffentlichen Berufen. Auch Journalistinnen werden häufiger Zielscheibe verbaler Angriffe als ihre Kollegen. Der Umgang mit Politikerinnen in den journalistischen und sozialen Medien ist also nicht isoliert von dem allgemeinen Umgang mit Frauen dort zu betrachten. Ebenso wenig ist die geringere Präsenz von Frauen in der Politik losgelöst von der mangelnden Gleichberechtigung in der Berufswelt zu betrachten.
An vielen Stellen spiegeln Medien Vorstellungen und Machtverhältnisse, die tief in der Struktur der Gesellschaft sitzen, zeichnen Frauen als weich und verletzlich in einer Männerwelt oder lassen die Bereiche, in denen Frauen präsent und „mächtig“ sind, als weniger wichtig erscheinen. Wie das Dossier „Frauen und Medien“ aber auch zeigt, liegen nicht alle Gründe für die mangelnde Gleichberechtigung von Frauen bei den Medien. Mehr Politikerinnen in Machtpositionen und die Vereinbarkeit von Beruf und Familie können genauso wenig herbeigeschrieben werden wie ein Ende von Gewalt gegen Frauen.
Aber auch da, wo es noch keine positiven Beispiele von Frauen in politischen, gesellschaftlichen oder wirtschaftlichen Führungspositionen gibt, und dort, wo Sexismus und Gewalt Frauen an der Teilhabe hindern, können Medien über die Gründe berichten, Ungleichheit zum Thema machen und mögliche neue Frauenbilder diskutieren. Das Mindeste aber ist, bisher Erreichtes nicht rückgängig zu machen.
Literatur
Falk, Erika; Kenski, Kate (2006): Issue Saliency and Gender Stereotypes. Support for Women as Presidents in Times of War and Terrorism. In Social Science Q 87 (1), pp. 1–18.
Holtz-Bacha, Christina (2007): Mit den Waffen einer Frau? Politikerinnen im Wahlkampf. In Christina Holtz-Bacha, Nina König-Reiling (Eds.): Warum nicht gleich? Wie die Medien mit Frauen in der Politik umgehen. Wiesbaden: VS, pp. 79–104.
Holtz-Bacha, Christina (2008): Frauen, Politik, Medien: Ist die Macht nun weiblich? In Christina Holtz-Bacha (Ed.): Frauen, Politik und Medien. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften, pp. 3–24.
Kinnebrock, Susanne; Knieper, Thomas (2008): Männliche Angie und weiblicher Gerd? Visuelle Geschlechter- und Machtkonstruktionen auf Titelseiten von politischen Nachrichtenmagazinen. In Christina Holtz-Bacha (Ed.): Frauen, Politik und Medien. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften, pp. 83–103.
Weiterlesen: Frauen & Medial – international