von Jasmin Honold und Julia-Lena Reinermann
Auf virtuellem Weg vom kleinen Verbund zum offenen, deutschlandweiten Netzwerk
Das Netzwerk studentischer Nachhaltigkeitsinitativen ist ein besonderes Beispiel für die Nutzung moderner Medien von ehrenamtlich agierenden Gruppen im Nachhaltigkeitsbereich: Es ist ein überregionaler Verband vorrangig studentischer Initiativen, der verschiedene Medien nicht nur als ein Instrument für seine Zielerreichung nutzt. Vielmehr würde das Netzwerk ohne Medien nicht existieren, und sein Wachstum ist vermutlich an die Weiterentwicklung moderner Medien gebunden.
Das Netzwerk ist aus einem vom Rat für nachhaltige Entwicklung geförderten Projekt „Veranstaltungen und Nachhaltigkeit“ entstanden. In diesem Projekt haben erstmalig drei Nachhaltigkeitsinitiativen aus verschiedenen Orten in Deutschland fast ausschließlich über virtuelle Kommunikationsräume, v.a. E-Mail, Telefon und webbasierte Internetdienste, zusammengearbeitet.
Durch den Untersuchungsgegenstand (innovative Veranstaltungsformate zu generieren, um Nachhaltigkeitsthemen erfolgreicher zu vermitteln) entwickelte sich die Vision lokale und überregional agierende Initiativen stärker miteinander zu vernetzen. Dabei stand im Zentrum, Einzelbemühungen zu bündeln und den Wissens- und Erfahrungsaustausch zwischen Nachhaltigkeitsinitiativen und -gruppen über geografische, disziplinäre und ressourcenbezogene Grenzen hinaus zu fördern. Nach Abschluss des Pilotprojekts konnten Ende 2010 mit Unterstützung durch die deutsche UNESCO-Kommission und die AG Hochschule deutschlandweit zahlreiche studentische Initiativen nach Berlin einladen werden, um im Rahmen der Tagung „Hochschulen für Nachhaltige Entwicklung“ das Netzwerk in seiner jetzigen Form zu gründen.
Aus diesem Kick-off entstand ein Forderungspapier, in dem Wege zu einer nachhaltigeren Hochschullandschaft in Deutschland aufgezeigt werden. Begleitend ist eine Online-Petition auf einer eigens programmierten Webseite entstanden: www.nachhaltige-hochschulen.de. Dort können sowohl Einzelpersonen als auch Organisationen ihre Zustimmung zum Ausdruck bringen und werden zum Dialog eingeladen, um die im Papier enthaltenen Forderungen und Vorschläge kritisch zu diskutieren. Anhand dieser und weiterer Aktionen wächst das Netzwerk nun kontinuierlich und bindet laufend neue Initiativen und einzeln Engagierte aus dem Hochschulumfeld ein. Ein Jahr nach der Gründung gehören etwa zwölf Initiativen und Gruppen zum Netzwerk, die jeweils durch engagierte Einzelpersonen vertreten sind. Damit befindet sich das Netzwerk in einem ständigen Prozess der Um- und Neustrukturierung. Dieser Prozess ist an die optimale Nutzung der zur Verfügung stehenden Medien, Freeware und Online-Tools gebunden und stößt mitunter auch deren Grenzen.
Die Etablierung multimedialer Kommunikationswege im Netzwerk
Die interne Kommunikation ist zentral über eine Mailingliste, Telefonkonferenzen und einem Wiki (Arbeitsplattform zur gemeinsamen Bearbeitung und Archivierung von Dokumenten und Informationen) organisiert. Diese Kommunikationswege werden durch Internetdienste zur Termin- und Entscheidungsfindung ergänzt. Zudem haben sich kleinere Arbeitsgruppen um bestimmte Themen gebildet, in denen direkter kommuniziert wird (z.B. in Form von persönlichen E-Mails, Telefonaten, Chats und Videokonferenzen). Hier können spielerisch auch Kommunikations-Instrumente ausprobiert werden, wie etwa Online-Brainstorming, das gemeinsame Bearbeiten virtueller Dokumente in Echtzeit und Bildschirm teilen.
Da das Netzwerk sich noch im Aufbau befindet und seine Mitglieder diese neue Form der Zusammenarbeit nach und nach erlernen und etablieren müssen, steckt die Nutzung moderner Medien für die Kommunikation nach außen noch in den Anfängen. Das Forderungspapier und der Link zur Petitionsseite wurden per E-Mail über private Netzwerke und zur Weiterleitung an studentische Organisationen im Hochschulkontext versandt. Zusätzlich wurde eine Facebook-Gruppe gegründet, die der weiteren Verbreitung der Petition dienen soll. Ab Januar wird das Forderungspapier auf dem Postweg an möglichst alle deutsche Hochschulleitungen übergeben. Gleichzeitig entsteht derzeit das Konzept einer eigenen Webseite, die durch einen externen Newsletter und ein begleitendes Forum oder einen Blog ergänzt werden wird.
Zum Einsatz verschiedener Medien bei virtuellen non-profit-Teams
Welche Bedingungen müssen erfüllt sein, um die derzeit zur Verfügung stehenden Medien für eine überwiegend virtuelle Form der Zusammenarbeit nachhaltig zu nutzen? Im Hinblick auf das hier vorgestellte Netzwerk ist der Gedanke einer nachhaltigen Nutzung von Medien vielschichtig: Es geht um das Erreichen spezifischer Projektziele, aber auch um die Weiterentwicklung des Netzwerks und der im Netzwerk agierenden Einzelpersonen: Die virtuelle Zusammenarbeit muss Spaß machen, damit alle Beteiligten ihre persönlichen Ressourcen gern in die Arbeit investieren und damit die für Projekte typischen Konflikte und Hürden überstanden werden können, ohne dass die Motivation zur Netzwerkarbeit verloren geht.
Unverzichtbar sind daher bestimmte Kompetenzen, die durch den ständigen Austausch und eine konstruktive und wertschätzende Feedbackkultur erlernt und weiterentwickelt werden: Etwa organisatorische und kommunikative Kompetenz im Umgang mit Medien. Damit sind beispielsweise eine klare, gut strukturierte und straffe Formulierung von Emails und das Vermeiden von E-Mail-Flut über den Gesamtverteiler gemeint. Hilfreich ist, die Organisationsstruktur festzulegen und mit einem Organigramm zu visualisieren. Damit werden Kommunikationswege und Ansprechpartner für bestimmte Belange sowohl intern, als auch extern für potentiell neue Mitglieder transparent. Ebenso notwendig sind moderierende und integrierende Kompetenzen, die etwa bei Telefonkonferenzen helfen eine Agenda einzuhalten und mit einem „Blick von oben“ Meinungen zu integrieren. Damit können Entscheidungen getroffen werden, die von allen getragen werden.
Es ist zudem wichtig, Arbeitsprozesse und die Angemessenheit verschiedener Medien immer wieder zu reflektieren und alle Mitglieder an der Um- und Neugestaltung von Kommunikationswegen und Arbeitsformen teilhaben zu lassen. So können vielseitige Perspektiven und Ideen am besten gebündelt und die Motivation der engagierten Personen gefördert werden. Ausblick: Ideen für eine nachhaltigere virtuelle Kommunikation und Kooperation
Was sind die Grenzen moderner Medien für die interne Zusammenarbeit des Netzwerks? Neben technischen Hürden (z.B. unbefriedigende Stabilität und Übertragungsqualität internetbasierter Telefon- und Videokonferenzen) ist eine sehr große Herausforderung, den fehlenden direkten Kontakt, das Ausbleiben des persönlichen „Beschnupperns“ insbesondere zu Beginn einer Zusammenarbeit zu kompensieren. Die Mitglieder müssen Vertrauen zueinander aufbauen und persönliche Eigenschaften und Eigenheiten kennen und schätzen lernen, um inhaltlich und emotional gut zusammenzuarbeiten. Auf der Netzwerk-Homepage soll daher ein Bereich für persönliche Profile entstehen, der helfen kann, sich ein „Bild“ von der Stimme am anderen Ende der Telefon- oder Internetleitung zu machen. Zudem werden derzeit Ideen gesammelt, wie z.B. Telefonkonferenzen „lustvoller“ gestaltet werden können – der Vorschlag, sich vorab sein Lieblingsgetränk zu mixen und den anderen zu Beginn davon zu erzählen, ist ein Beispiel für vielfältige Möglichkeiten. Dennoch kann vermutlich kein Medium den persönlichen Kontakt ersetzen, und der private Austausch, gemeinsame Workshops und andere Möglichkeiten sich persönlich zu treffen werden von vielen Beteiligten im Netzwerk als notwendig und am meisten motivierend wahrgenommen.
Schlussfolgernd können also Initiativen, Vereine und Verbände im Nachhaltigkeitsbereich möglicherweise dann am nachhaltigsten bestehen und zusammenarbeiten, wenn die Möglichkeiten moderner Medien optimal ausgeschöpft werden, ohne auf den direkten und auch privaten Austausch zu verzichten.