Von Lars Gräßer/ Grimme-Institut
„Veranstaltungen besuchen” war einer der Tipps, den Judith Orland, zuständig bei Oxfam für den Social-Media-Bereich und Mitorganisatorin der Berliner re:campaign, für die Teilnehmer/-innen des Praxisworkshop für Nicht-Regierungs-Organisationen (NROs) zum Thema eCampaigning parat hatte. Alle die da waren, hatten also schon mal alles richtig gemacht. Der Praxis-Workshop „Medienkampagnen für Nachhaltigkeitsakteure” hat am 15. Juni im Marler Grimme-Institut stattgefunden – in Kooperation mit der Deutschen UNESCOKommission im Rahmen der UN-Dekade „Bildung für nachhaltige Entwicklung“.
Judith Orland – Oxfam
Bevor Judith Orland, die den Tag mit ihren Erfahrungen eingeleitet hat, jedoch zu ihren Tipps und Empfehlungen kam, wurde es erstmal grundsätzlich: Für sie ist der Einsatz von Social Media eine Frage der Kultur. Jede Anwendung hat eine eigene Kultur (hervorgebracht), die man kennen muss und die sich vielfach in einem eigenen Wording niederschlägt, in einer eigenen Sprache mit besonderen Konventionen, und die spezifische Kompetenzen und Ressourcen einfordert. „Und diese Kultur muss zur jeweiligen Organisationskultur passen”, so Orland. Ist etwa der Praktikant verantwortlich, weil er über die notwendige technische Kompetenz verfügt? Oder ist es die Organisationsspitze, weil sie über das entsprechende Wissen verfügt und für die Organisation sprechen kann? Und wenn man sich für Social Media entscheidet, dann, ja dann sollte man es richtig machen, so Orland, und einen Social-Community-Manager einstellen, um den „kulturellen Anforderungen”, etwa nach schnellen Reaktionszeiten, gerecht werden zu können. Nur so lassen sich Unterstützer/-innen und Interessierte dauerhaft binden.
Und welche Geschichten hat man dann zu erzählen? Für Judith Orland dominieren im NRO-Bereich generell Heldengeschichten bspw. über den „heldenhaften” Einsatz von Ehrenämtlern für die gute Sache. Auch das „Storytelling” scheint Trends und Moden unterworfen zu sein (und derzeit ist die Heldengeschichte eben in Mode), so Orlands Beobachtung. Das wird dann zum Problem, wenn der tägliche Umgang mit den Ehrenämtlern und die Heldengeschichten, die über sie verbreitet werden, auseinanderklaffen.
Dabei sind die Ehrenämtler häufig die besten Botschafter für das Organisationsanliegen, wenn sie mit ihren Überzeugungen und ihrer Person hinter einer Kampagne stehen. Ihr Tipp: „Hier muss man aufpassen und authentisch bleiben”. Aber nicht nur die Kulturen müssen vereinbar sein, Klärungsbedarf besteht auch hinsichtlich der Organisationsziele für den Einsatz von Social Media. Geht es um mehr Seitenbesuche, mehr „Verkehr” auf der eigenen Webpräsenz, also mehr „traffic”? Soll am Organisationsimage gefeilt werden oder geht es um Aufklärung bzw. gezielte Information zu Sachthemen im Rahmen einer Kampagne? Wo ist die Zielgruppe unterwegs – eher bei Twitter, bei Facebook oder vielleicht bei keinem von beiden? Und wie setzt meine Kampagne an, geht es um „David gegen Goliath” – eine weitere Heldengeschichte? Darüber hinaus gilt es, den Online- und den Offline-Bereich zu verbinden: „Man muss die Kampagne auch auf die Straße bringen”, so Orland. Und man darf sich dabei von den ungeheuren Möglichkeiten des Social-Media-Bereichs nicht blenden lassen: „Ich glaube, die E-Mail wird unterschätzt”, so Orland, wie man etwa am Beispiel von Campact verdeutlichen kann, die über einen “ungeheueren” E-Mail-Verteiler verfügen, der rund eine halbe Million Adressen umfasst.
Am Ende gab es noch ein paar Tipps und persönliche Anregungen von der Social-Media-Expertin: „Veranstaltungen besuchen” war einer der Tipps: „Nehmen Sie an Veranstaltungen wie dieser oder an BarCamps zu Social Media teil”. Das kann auch virtuell geschehen, etwa per Übertragung ins Netz (Livestream) oder per Verfolgung (hashtag) auf Twitter. „Hier gibt es praktische Erfahrungen aus erster Hand”, so Orland. Dabei hilft es, jeden Tag etwas Zeit für das Surfen zu reservieren, so erfahre man: Was tun die anderen? Was tut sich überhaupt? Und wer Social Media einsetzen
will, sollte die entsprechenden Anwendungen erst einmal privat nutzen, um ein Gefühl für deren Potenziale und Risiken zu entwickeln. Und ganz zuletzt: „Haben Sie Mut zu experimentieren!”
Die anschließende Diskussion drehte sich um die von Teilnehmer Heinz H. Meyer aufgeworfene Frage, ob die Übernahme von Methoden des Marketings in den Nachhaltigkeitsbereich nicht problematisch sei, ob hier nicht Form und Inhalt stärker korrespondieren müssen bzw. die Ansprache nicht anders erfolgen müsse. Dabei wurde deutlich, dass gerade Social Media die Möglichkeit bietet, Menschen ganz anders anzusprechen, sie partizipieren zu lassen, was als neue, kommunikative Qualität kultiviert werden muss – im Sinne einer kommunikativen Nachhaltigkeit.
Sandra Knümann – CreNatur
Dann schilderte Sandra Knümann ihre Erfahrungen und Eindrücke – am Beispiel von CreNatur, einem Weiterbildungsträger mit nur einigen, wenigen Mitarbeiterinnen im Bereich Naturerlebnis-Pädagogik. Sie hat sich dabei von den früheren Praxisworkshops inspirieren lassen, die Herausforderung anzunehmen: „Ich bin da keine Expertin, eher eigne ich mir den Umgang mit Social Media durch das Machen an`eins kann ich aber schon sagen:
Es macht einen Riesenspaß”. Für Sie stellt es sich so dar: „Auf der einen Seite gibt es das Facebook für Jugendliche, in dem jede/-r über 200 Freunde hat, auf der anderen Seite die Seiten für Organisationen, mit deren Hilfe diese in Dialog mit der Öffentlichkeit treten können”.
Aber wie Unterstützer/-innen gewinnen? Erst hat Sandra Knümann private Kontakte für die „magische” 30er-Grenze aktiviert, erst dann ist die Gestaltung einer eigenen Endung für die Seite möglich und diese für alle sicht- und vor allem verknüpfbar. Um befreundete Organisationen aufzuspüren, empfiehlt sie allerdings von der Facebook-Suche Abstand zu nehmen und von „außen”, über die Suche von Google zu gehen (und zwar durch die Sucheingabe „Kollegenname XY” und Facebook). Schließlich nutzt sie ihren Newsletter, um hier auf ihre Facebook-Seite aufmerksam zu machen.
Wie Kommunikation anregen? Sandra Knümann empfiehlt hierzu, Fragen zu stellen, Umfragen zu starten und möglichst viele Bilder und Fotos einzustellen – sie finden eine Menge Interesse. Ihre persönlichen Zielvorgabe: „Ein Posting am Tag”. Das können auch mal eher private Beiträge oder Fotos sein: „Ich lehre Naturpädagogik, Interessierte und oder Teilnehmer/-innen lernen mich hier als Person kennen. Sollten meine Kinder auf den Fotos zu sehen sein, zeige ich diese aber nur von hinten”. In der Tat ist die Diskussion um Persönlichkeitsrechte und Datenschutz bei Facebook nicht spurlos an ihr vorübergegangen. Sandra Knümann räumt ein: „Facebook hat in meinem Umfeld keinen guten Ruf”. Für sich geht sie davon aus, dass einfach alles gespeichert bleibt, was sie postet: Facebook vergisst nichts. Die meiste Zeit verwendet sie dementsprechend dafür, Beiträge so zu formulieren, dass sie dauerhaft so stehen bleiben können.
Und lohnt der Einsatz? Für Sandra Knümann auf jeden Fall. Sie findet mehr Interessenten und mehr Teilnehmer/-innen („Habe auf Facebook gesehen, da sind noch Plätze frei”) und diese sind zudem besser informiert über das, was auf sie zukommt.
Jasson Jakovides – „Mehr Wissen! Mehr tun!“
Anschließend stellte Jasson Jakovides, von der Agentur FIELDS, die UN-Dekade-Kampagne „Mehr wissen! Mehr tun!” tun vor bzw. erläuterte zunächst die Vorüberlegungen, die schließlich in die konkrete Gestaltung der Dekade-Kampagne mündeten. „Über Nachhaltigkeit wird gerne und viel geredet. Die praktische Umsetzung bleibt aber im täglichen Leben allzu oft weit dahinter zurück”, so Jakovides. Daher sein Ansatz: Wie kann Nachhaltigkeit ganz konkret aussehen? Darauf gibt „Mehr wissen! Mehr tun!” vielfältige Antworten.
„Vormacher” aus dem wahren Leben erzählen in Interviews aus der Praxis und verdeutlichen anhand von Beispielen, dass Nachhaltigkeit weitaus mehr ist, als ein viel zitiertes Wort. Die Kampagne stellt auf der Internetseite außerdem Projekte aus ganz Deutschland vor, die besonders nachhaltig handeln. Zusätzlich gibt es aktuelle Literatur-, Film- und Veranstaltungstipps. Für alle, die weiter recherchieren wollen, werden vielfältige Internetempfehlungen gegeben.
Praktische Übungen rundeten den Tag schließlich ab. Diese standen auch im Mittelpunkt eines weiteren NRW denkt nach(haltig)-Praxisworkshops, der 27. bis 30. Juli in Düsseldorf stattfand und sich mit dem Thema „Digital Storytelling“ auseinandersetzte.
Berichte dazu finden Sie in den folgenden Kapiteln dieses Handbuchs:
Nachhaltigkeit ein Gesicht geben – Workshop-Bericht zum Thema „Digital Storytelling“
Kommunikation im Wandel: Geschichten erzählen statt Argumente rezitieren
Nachhaltigkeit ein Gesicht geben – Workshop-Bericht zum Thema „Digital Storytelling“